Dülmen. Wer die Durchfahrtsscheune auf dem Anwesen Daldrup 9 betrachtet, sieht: Hier ist baulich einiges zu tun. Das wissen auch Sarah Pieper und ihr Mann Patrick Voelker. Sie haben das denkmalgeschützte Gebäude im vergangenen Winter mit Freundeshilfe mit großen Holzstützen gesichert. Auf Dauer soll dort für die Kunstlehrerin ein Kunstatelier entstehen und für den Tiefbauingenieur ein Raum für sein Hobby: Modelleisenbahn.
Laut Inschrift stammt die Durchfahrtsscheune aus dem Jahr 1820. „Dementsprechend schätzte das Denkmalamt in Dülmen auch das Bauernhaus ein“, berichtet Lisa Pieper, Mutter von Sarah Pieper. Sie und ihr Mann Herbert, der 2010 im Alter von 56 Jahren verstorben ist, erstanden 1989 die Hofstelle mit knapp fünf Hektar Fläche. Und machten sich an die Instandsetzung und den Umbau des Bauernhauses.
„Wir haben das Dach dämmen, neu mit Tonziegeln decken und Schleppgauben mit Fenstern einbauen lassen, die Steinfächer des Fachwerks neu aufgemauert, innen Wände erneuert, den Fußboden mit Heizung versehen und neu gemacht, einen Teil der Tenne zur Küche hinzugenommen, rundrum neue Fenster eingebaut und sonst noch so einiges gemacht“, zählt Lisa Pieper auf. „Wir hatten zwar bei Lebensmittel Schmitz an der Coesfelder Straße eine Wohnung, haben aber auch während der Bauzeit hier oft übernachtet“, so Lisa Pieper. Ihre beiden Töchter Sarah und Rebecca – damals noch klein – begleiteten Mama als Wickelkinder bei den Renovierungsarbeiten, die mit viel Provisorien einher gingen: „Jahrelang hatten wir im Haus keine Wasserversorgung. Wir haben das Wasser von draußen geholt und abgekocht.“ Insgesamt acht Jahre lang dauerte es, bis die Küche fertig war. „Eine spannende Zeit“, erinnert sich Lisa Pieper, die damals auch das ein oder andere Foto gemacht hat.
Heute zeigt die 63-Jährige ihrer Tochter Sarah und ihrem Schwiegersohn die in Alben geklebten Fotodokumente und freut sich, dass der Hof auch künftig von der Familie genutzt wird. „Sarah und Patrick übernehmen den Hof von mir“, so Lisa Pieper.
Mit dem Hof hat sich die gebürtige Schwäbin und Pferdefreundin, die 1978 wegen der hiesigen Pferdekultur nach Dülmen kam, „meinen Traum einer Ranch“ erfüllt und war entsprechend bereit, dafür auch Provisorien und Arbeit in Kauf zu nehmen.
Sie und ihr Mann nahmen in den 1990er Jahren Kontakt mit der Interessengemeinschaft Bauernhaus (IG Bauernhaus) auf – ein Zusammenschluss von Akteuren zur Erhaltung historischer ländlicher Bausubstanz. „Damals vor der Renovierung kam Dr. Dietrich Maschmeyer, der mehrere Jahre Vorsitzender der IG Bauernhaus war, zu uns, machte ein Aufmaß unseres Bauernhauses und sorgte für wissenschaftliche Untersuchungen“, so Lisa Pieper.
Die waren höchst angebracht: „Das Fachwerk-Ständerwerk des Bauernhauses war ursprünglich viel großräumiger, weil die Fächer nicht gemauert, sondern mit Holz beplankt waren. Dann hat man weitere Balken und andere Hölzer eingezogen und die Fächer ausgemauert“, so der promovierte Chemiker im Gespräch mit DÜLMENplus. Auch das Dach wurde geändert: „Ursprünglich waren viele Bauernhäuser mit Stroh gedeckt. Auch hier war das wohl so – auf jeden Fall war in den 90er Jahren deutlich zu sehen, dass zwischenzeitlich weitere Sparren eingezogen worden waren.“
Um Gewissheit über das Alter des Bauernhauses zu bekommen, veranlasste Dr. Dietrich Maschmeyer die dendrochronologische Untersuchung auch der über 30 Zentimeter mächtigen Eichenbalken in der Wohndiele des Bauernhauses. Es wurden Bohrkerne entnommen und das Jahresringbild des Holzes mit dem Jahresringbild von Referenz-Hölzern mit nachgewiesenem Einschlagjahr verglichen. „Dabei stellte sich heraus, dass das Bauernhaus um das Jahr 1575 gebaut worden ist“, fasst Dr. Dietrich Maschmeyer zusammen. Denn dieses Jahr ergab sich als Einschlagjahr mehrerer Balken und Hölzer des Bauernhauses. „Und damals war es üblich, dass Holz recht bald nach dem Einschlag zum Bau verwendet wurde“, so Dr. Dietrich Maschmeyer.
Zusammen mit mehreren Dutzend Interessierten – zwei Bussen voll – besuchte er seinerzeit beim Ende der Restaurierung den Hof in Daldrup. „Es freute uns alle, dass die Bausubstanz auf diese Weise erhalten wurde und somit eines der ältesten Bauernhäuser Westfalens – anders als ein Hof ähnlichen Alters in Südkirchen, den ich vor Jahrzehnten einmal aufgemessen hatte. Er wurde vor einigen Monaten abgerissen, weil eine Unterschutzstellung aus nicht nachvollziehbaren Gründen unterblieben worden war.“