Dülmen. Auch an diesem Mittwochmorgen haben die Fahrer der Dülmener Tafel e. V. einiges zu tun, um die von den Supermärkten und Discountern bereitgestellten Lebensmittel zum Standort der Tafel in der Borkener Straße 44 zu bringen. Reichlich Gemüse, Obst, Gewürze, abgepackte Wurst, Eier, Milchprodukte, abgepacktes Brot und auch Backwerk, das bei Bäckereien nicht verkauft worden ist, um mal einiges zu nennen. Und es ist auch einiges an Sortierarbeit zu leisten.
„Rund 30 bis 40 Prozent der Lebensmittel, die wir in den Geschäften einsammeln, sind nicht mehr frisch genug und geben wir nicht weiter. Unseren Kunden bieten wir nur das an, was wir auch selber essen würden“, sagt Josef Mundorf, Vorsitzender der Dülmener Tafel e. V., und fügt hinzu: „Wir haben in Dülmen genügend Ware.“ Das sagt er kürzlich am Rande des Dankeschön-Sommerfestes für alle aktuell 94 Helferinnen und Helfer der Dülmener Tafel (siehe Seite 1 dieser DÜLMENplus-Ausgabe).
„Genügend Ware“ – zumal auch Lebensmittel von außerhalb des Dülmener Einzugsgebiets mit in die Verteilung kommen. „Es gibt in Nordrhein-Westfalen vom Tafel-Landesverband insgesamt sieben Regional-Lager, von denen aus Tafelvereine Ware erhalten. Beispielsweise wenn Herstellerfirmen palettenweise Ware spenden – vielleicht weil Etiketten fehlen oder falsch beschriftet sind oder auch mal nicht genügend Salamischeiben auf der Pizza gelandet sind“, so Josef Mundorf. Von den sieben Regional-Lagern, von denen sich eines in Coesfeld befindet, wird die Ware verteilt. „Und wir holen etwa große Spenden von Iglo in Reken ab und geben Anteile davon an andere Tafeln weiter“, erklärt Walter Volpert, Kassierer im Vorstand der Dülmener Tafel.
Die beiden Kühlfahrzeuge der Dülmener Tafel sind auf diese Weise an sechs Tagen die Woche unterwegs – beim Einsammeln von Spenden und beim Weiterverteilen. Eines der Fahrzeuge ist acht Jahre alt und soll durch ein neues ersetzt werden. „Vor acht Jahren kostete das Fahrzeug 40.000 Euro. Inzwischen schon 55.000 Euro“, so Walter Volpert. „Ein Elektrotransporter würde sogar mit 90.000 Euro zu Buche schlagen und hätte aufgrund des schweren Akkus längst nicht die erforderliche Nutzlast.“
Auch der Diesel für die Transporter ist zu bezahlen, und zusammen mit den anderen Kosten – vor allem für Strom und Gas –, die anfallen, muss die Dülmener Tafel monatlich einen Apparat von rund 3.500 Euro wuppen. Im Vergleich zur Zeit vor dem Ukraine-Krieg bedeutet dies eine enorme Betriebskostensteigerung, erklärt Siegfried Hillers, Schriftführer der Dülmener Tafel.
Längst nicht alles von diesem Kostenapparat kann durch die zwei Euro, die jeder Tafelkunde pauschal für einen Einkauf entrichtet, beglichen werden – der Rest ist aus Spenden und aus den Beiträgen der gut 100 Mitglieder zu bestreiten.
Vor allem die Folgen des Ukraine-Kriegs sind immens für die Dülmener Tafel: „Wir haben im vergangenen Jahr ausgerechnet, dass die Energiepreise für uns pro Jahr um 8.000 Euro steigen“, so Siegfried Hillers.
Dementsprechend überwältigt und dankbar war das gesamte Team der Dülmener Tafel, dass im Zusammenhang mit der Lichterfahrt der Dülmener Landwirte am 18. Dezember vergangenen Jahres über 23.000 Euro an Spenden für die Tafel zusammengekommen waren. „Das hat uns einige Sorgen von der Schulter genommen“, sagt Josef Mundorf. „Nochmal danke an alle, die uns unterstützt haben!“ Neben den gestiegenen Energiekosten ist der Ukraine-Krieg auch bei den Kundinnen und Kunden der Tafel sichtbar: „Aktuell stellen Geflüchtete aus der Ukraine 30 bis 40 Prozent unserer Tafelkunden“, zeigt Josef Mundorf auf.
Mit Blick auf die steigenden Stromkosten wurden Handlungsoptionen überlegt und beschlossen.
Es wurde ein Kühlhaus abgebaut – an seine Stelle traten jeweils eine Handvoll neue Kühlschränke mit Glastür und neue Gefrierschränke mit Glastür. Wenn von diesen Geräten etwas nicht gebraucht wird, weil der Warenbestand geringer ist, können einzelne abgeschaltet werden.
Weiterhin in Betrieb sind in der einstigen Holz-Mesem-Halle, die sich die Dülmener Tafel mit dem Dülmener Sozialkaufhaus MuM24.de teilt, zwei mit Paletten befahrbare moderne Kühlzellen. Einer für zu kühlende Ware, einer für Gefriergut. „Wir müssen ja die Kühlketten einhalten“, so Walter Volpert.
Er und viele, viele andere der 94 ehrenamtlichen Mitstreiterinnen und Mitstreiter bei der Dülmener Tafel sind seit vielen Jahren dort aktiv. „Unser Altersdurchschnitt liegt bei knapp unter 70“, sagt Josef Mundorf. „Und das will etwas heißen, wenn man sich bedenkt, dass doch so manches zu heben ist. Ein Kasten Gurken oder Tomaten kann schon mal gerne 20 bis 30 Kilogram wiegen“, zeigt der Vorsitzende auf. „Wir wären also super dankbar, wenn sich jüngere Leute bei uns melden würden, um mitzuarbeiten.“
Die Zeiteinteilung bei den Helfenden ist ganz individuell. Das Engagement muss ja ins eigene Leben passen. „Wer zur Tafel kommt, fühlt sich wohl“, meint Walter Volpert, „ob als Kundin oder Kunde oder als Helferin oder Helfer.“
Beides in einer Person zu sein – Helfer und Kunde – ist bei der Dülmener Tafel übrigens ausgeschlossen. Es sollen in jedem Fall Interessenkonflikte und Gerede vermieden werden.
Und auch Gerechtigkeit steht hoch an. „Wir haben an jedem Ausgabetag drei Abhol-Zeitfenster, und die Kunden haben in einem rollierenden System immer unterschiedliche Abholzeiten“, so Jürgen Sultz, stellvertretender Vorsitzender der Dülmener Tafel. Die Kunden können also mal am Anfang, mal am Ende und mal in der Mitte eines Ausgabetags ihre Lebensmittelwünsche äußern.
Auch innerhalb der in der Regel rund 40 Personen, die zu einer Abholzeit zur Tafel kommen, kann für „gleiches Recht für alle“ gesorgt werden: Die wartenden Kunden können aus einem gemischten Kartenspiel eine Karte ziehen und landen dann entsprechend der vermerkten Zahl vorne oder auch hinten in der Kundenschlange. Ein akzeptiertes Prozedere.