Dülmen. Wer einmal mit einem Dampfzug gefahren ist, weiß, welch eine Faszination von so einem Erlebnis ausgeht. Am Samstag, 11. Juni, besteht eine dieser inzwischen selten gewordenen Möglichkeiten. Von Dortmund kommend, hält ein Sonderzug – gezogen von der historischen „Krokodil“-E-Lok 194 158 der Hammer Eisenbahnfreunde e. V. – im Dülmener Bahnhof und startet von dort gegen 6.20 Uhr die Weiterfahrt bis Münster. Dort wird umgekoppelt und die Dampf-Schnellzuglok 01 519 der Eisenbahnfreunde Zollernbahn e. V. vor den Zug gespannt, und weiter geht‘s nach Norddeich an der Nordseeküste. Die Rückankunft in Dülmen ist für gegen 23.10 Uhr geplant.
Organisiert und veranstaltet wird der historische Schnellzug von der Arbeitsgemeinschaft Westfalendampf, deren Fahrt-Organisator Thomas Wermers die Dampflok gut kennt: „Mit ihren 2.470 PS und ihren zwei Meter großen Treib- und Kuppelrädern ist die 01 519 in der Lage, unseren Sonderzug auf ein Tempo von bis zu 130 Kilometer pro Stunde zu bringen. Für eine Lok vom Baujahr 1936 ist das einiges“, so Thomas Wermers, der im Laufe von inzwischen drei Jahrzehnten rund 200 Dampfzugfahrten organisiert hat. „Überall sorgt die Lok für Aufsehen – spätestens auch in Meppen, wo wir sowohl auf der Hin- als auch bei der Rückfahrt einen Foto- und Wasserhalt einlegen.“
Gegen Mittag erreicht der Dampfschnellzug die Nordseeküste. Wer möchte, kann hier aussteigen und den Tag an der Küste verbringen. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, im Sonderschiff weiter nach Norderney zu fahren.
Rund 50 Minuten dauert die Überfahrt, und knapp fünf Stunden Zeit ist dann auf der Insel – zum Entspannen, zur Erkundung der Insel oder auch für ein frisches Bad in der Nordsee –, bis die Rückfahrt mit dem Sonderschiff angetreten wird.
Bequeme Sechser-Abteile in der 1. und 2. Klasse
„Unser Sonderzug besteht überwiegend aus sehr bequemen historischen Schnellzugwagen aus den 1950er Jahren mit Sechser-Abteilen sowohl in der 1. als auch in der 2. Klasse – garantiert ohne Holzsitze!“, so Thomas Wermer. Und: „Voraussichtlich ist wieder der beliebte Barwagen dabei. Hier ist der Treffpunkt für Jung und Alt – die Stimmung ist hier immer bestens. Auf dem Hinweg kann hier in Ruhe gefrühstückt werden, während auf dem Rückweg im Barwagen zur Musik vom DJ ordentlich gefeiert wird.“
Die Fahrkarten inklusive Sitzplatzreservierung für den Sonderzug nach Norddeich kosten regulär in der 1. Klasse für Erwachsene 119 Euro und für Kinder von 3 bis 14 Jahren 79 Euro; die Fahrkarten für die 2. Klasse kosten regulär 89 beziehungsweise 59 Euro. Für die Schifffahrt von Norddeich-Mole nach Norderney und zurück inklusive Kurtaxe zahlen Erwachsene 25 und Kinder 13 Euro.
Die Fahrkarten können im Internet unter www.westfalendampf.de oder alternativ beim Infotelefon Westfalendampf in Emsdetten unter 02572/1793 bestellt werden. „Wer am Telefon den Hinweis ,DÜLMENplus‘ gibt beziehungsweise bei der Online-Bestellung ,DÜLMENplus‘ in die Bemerkung schreibt, erhält pro Zug-Ticket 5 Euro Rabatt“, so Thomas Wermers. Weitere Infos unter: www.westfalendampf.de.
Die 01 519 blickt auf ein bewegtes Lok-Leben zurück
01 519 kann auf ein bewegtes Lokomotivleben zurückblicken. Sie wurde von Henschel & Sohn in Kassel im Juni 1936 unter der Fabrik-Nr. 22929 gebaut und als 01 186 an die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) abgeliefert. Abgenommen wurde sie am 17. Juni 1936. Ihr erstes Heimat-Betriebswerk war Dresden-Altstadt. 1963/64 rekonstruierte das Reichsbahnausbesserungswerk (Raw) Meiningen die Lok unter der Fabrikations-Nr. 212. Sie bekam unter anderem einen neukonstruierten Kessel, der vom Raw Halberstadt unter der Nummer 267 hergestellt worden war. Nach der Indienststellung am 29. Februar 1964 erhielt sie die Nummer 01 519, ab 1970 EDV-gerecht als 01 0519-7 genummert. Es war im übrigen die erste Reko-01 mit Ölhauptfeuerung.
Einsatz bis Ende der DDR als Heizanlage in Greifswald
B1982 wurde die Lok 01 519 ausgemustert, blieb jedoch erhalten. Sie wurde zusammen mit den Loks 01 510, 01 513 und 01 517 von der Deutschen Reichsbahn (DR) zu Heizzwecken an den VEB (Volkseigener Betrieb) Brauerei Greifswald abgegeben. Die Loks wurden hierfür Ende Oktober 1982 von Gerstungen nach Stralsund überführt und im Bahnhof Hornstorf (bei Wismar) im November 1982 auf Kohlefeuerung umgebaut. In Greifswald waren die Loks als stationäre Heizanlagen für die Brauerei, das Krankenhaus und weitere umliegende Betriebe im Einsatz. Für jeden Einsatztag erhielt die Deutsche Reichsbahn 603 Mark (!). Dieser Einsatz endete im Oktober 1988 mit der Inbetriebnahme einer neuen Heizanlage. Im Sommer 1989 wurde dann mit der Verschrottung der Lokomotiven durch die DR begonnen.
Buchstäblich in letzter Sekunde konnte 01 519 als letzte der Vier vor dem Schneidbrenner gerettet werden. Beim Tender (übrigens von der Lok 44 1233) hatte man bereits mit der Verschrottung begonnen. Der Grund für die Rettung war ein Kompensationsgeschäft zwischen dem Liechtensteiner Touristikunternehmen Jelka und der Deutschen Reichsbahn für den Einsatz eines Triebwagens VT 601 als Intercity zwischen Hamburg und Berlin.
1990 Wiederaufarbeitung im Raw Meiningen
Die Lok wurde in einem erbärmlichen Zustand im September 1990 dem Raw Meiningen zugeführt und dort wieder aufgearbeitet. Diese Arbeiten für die Hauptuntersuchung kam beinahe einem Neubau gleich. Der Tenderaufbau, das Führerhaus, einige Lager sowie die Kessel- und Zylinderverkleidungen mußten neu hergestellt werden.
Die 01 519 wird heute durch die Eisenbahnfreunde Zollernbahn e.V. mit Sitz in Rottweil (Schwarzwald) betreut und liebevoll gepflegt, so dass sie in diesem Jahr der Arbeitsgemeinschaft Westfalendemp zur Verfügung gestellt werden kann.