Anja Janik ist 52 Jahre alt, lebt mit ihrem Mann Matthias und den Kindern Sophia (20) und Lukas (22) im Dernekamp. Schon immer war ihr Leben von der eigenen künstlerischen Entfaltung geprägt, doch ein folgenschwerer Bandscheibenvorfall, der sie in den Rollstuhl zwang, änderte vieles. Sie musste ihre Tanz-Leidenschaft aufgeben, das Geigenspiel fiel fortan wesentlich schwerer und der gesamte Alltag stand Kopf. Doch Anja Janik blieb positiv und gewann nicht nur für ihre Familie, sondern auch durch ihre Familie Kraft. Zudem entdeckte sie die Liebe zur Malerei neu, und nun vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht den Pinsel schwingt. Deutschlandweite Beachtung erreichte sie mit ihren Illustrationen, die in der „Bibel in einfacher Sprache“ landeten. Aktuell ist die Künstlerin als Kunstlehrerin im Clemens-Brentano-Gymnasium beschäftigt und versucht, die Schülerinnen und Schüler mit ihrer Leidenschaft für Farbe, Leinwand und Pinsel anzustecken. Zudem werden ihre Werke derzeit am Flughafen Münster/Osnabrück ausgestellt.
Von André Sommer
Dülmen. Schon ihr Leben lang war die kreative Entfaltung ein maßgeblicher Teil in Anja Janiks Leben. Tanzen, Geigespielen, Zeichnen, Malen. Doch als ein schwerer Bandscheibenvorfall 2014 zu einer Querschnittslähmung führte und sie seither an den Rollstuhl gebunden ist, änderte sich ihr Leben schlagartig. Insbesondere an Tanz war (zumindest in der bisherigen Form) nicht mehr zu denken. Doch wo andere den Kopf in den Sand stecken, griff Anja Janik zum Pinsel und verwirklicht sich seitdem insbesondere im Malen selbst.
Heute hat sich die Kunstpädagogin mit ihren neuen Lebensumständen längst arrangiert. Sie arbeitet als Kunstlehrerin am Clemens-Brentano-Gymnasium, erstellt eigene Gemälde oder verwandelt auf Anfrage alte Fotografien in Kunstwerke. Es vergeht fast kein Tag, an dem die 52-Jährige nicht den Pinsel führt. „Das Malen ist ein elementarer Teil von mir geworden“, berichtet die Künstlerin lächelnd. „Ich habe schon in meiner Vergangenheit immer wieder Kunst geschaffen – doch nun nimmt es einen großen Platz in meinem Leben ein.“ Auch, wenn sie für Aufträge pinseln „muss“, fühle es sich nie wie eine Pflicht an: „Ganz im Gegenteil – ich kann mich stundenlang im Malen verlieren. Ich kann abschalten und meiner Leidenschaft folgen.“
Was sie anfänglich vor allem für sich selber startete, gewann eine neue Qualität, als 2015 das caput Magazin, eine Zeitung, produziert von Menschen mit und ohne Behinderung, einen Artikel über ihr Schicksal und ihre künstlerische Leidenschaft veröffentlichte. „Die Zeitung ist in einem denkmalgeschützten Bahnhof mit Namen ,Bahnsteig 42‘ untergebracht. Dieser wird als Begegnungsstätte für Menschen jeden Alters genutzt – und es finden dort immer wieder Kunstausstellungen statt. Man fragte mich, ob ich daran nicht auch Interesse habe und ob ich dazu eine Bilderserie zu einem bestimmten Thema schaffen wolle. Ich sagte zu.“ Nach kurzer Überlegung schuf Anja Janik daraufhin eine ganze Bilderserie. Das Thema: „Poledance“. „Ich wählte gerade das Thema, weil es genau diese körperliche Ästhetik, diese Chance der Bewegung war, die ich durch meine Behinderung am ehesten vermisse. Ich habe nie selber Poledance betrieben, aber diese Form der Bewegung hat mich immer in ihren Bann gezogen.“
Ein unerwarteter, katholischer Auftrag
Ihre Ausstellung kam sehr gut an – auch an einer Stelle, die sie so überhaupt nicht erwarten konnte: Beim Katholischen Bibelwerk e.V. in Stuttgart. „Ich bekam plötzlich einen Anruf von einer Schwester Paulis Mels FSGM von den Franziskanerinnen von Thiune, ob ich mir nicht vorstellen könne, die Illustrationen für das ,Evangelium in Leichter Sprache‘ zu zeichnen. Ich war baff und entgegnete, dass ich doch gar kein gläubiger Mensch sei und mit Gott und der Bibel nicht viel am Hut habe. Die Schwester lachte und meinte darauf, dass das überhaupt kein Nachteil sei, mit einem anderen Blickwinkel an die Aufgabe heranzutreten.“ Nach kurzer Bedenkzeit fertigte Anja Janik daraufhin drei „schnelle Zeichnungen“, wie sie ihre Bilder selber bezeichnet, und schickte sie an die Schwester: „Sie war direkt Feuer und Flamme, und so bekam ich diesen gewaltigen Auftrag.“ Das Konzept von „Evangelium in Leichter Sprache“ berücksichtigt die Bedürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten, aber auch von Menschen mit Demenz und von Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen können oder Leseschwierigkeiten haben. Das Ziel der Leichten Sprache ist Textverständlichkeit. Zur Untermalung sind eben die Illustrationen ein wichtiger Baustein. Als entsprechend schwierig stellte sich die Aufgabe heraus, ein so umfassendes Werk mit knapp 80 Zeichnungen zu versehen: „Die Verantwortlichen für dieses Buch haben mir ziemlich freie Hand gelassen, wie ich die einzelnen Abschnitte bebildern soll. So konnte ich mich zuerst einmal selber entfalten. Häufig bekam ich dann allerdings eine Rückmeldung von Schwester Paulis, wenn mein Motiv zu kompliziert oder zu weit von den Erwartungen abwich. So kam es vor, dass ich manche Bilder vier oder fünf Mal neu zeichnen musste. Ich habe das allerdings sehr gern gemacht, und der Weg zum finalen Buch war wirklich spannend. Meine Sichtweise auf die Evangelien hat sich durch die intensive Arbeit sehr gewandelt. Die Botschaften, die durch das ,Evangelium in Leichter Sprache‘ vermittelt werden, sind total wertvoll.“Poledance, Angela Merkel und der Papst
Im Bezug auf das Buch sind Anja Janik insbesondere zwei Erinnerungen besonders lieb: „Zum einen hat Schwester Paulis meine Poledance-Ausstellung besucht, was für ein paar verwirrte Blicke sorgte. Das war lustig. Und zum anderen ein Zeitungsartikel, den ich eher zufällig entdeckte. Darauf ist Angela Merkel zu sehen, die sich gemeinsam mit Papst Franziskus das Buch mit meinen Illustrationen ansieht. Das war schon ein seltsames Gefühl.“ Nach dem Projekt mit den Illustrationen widmete sich Anja Janik insbesondere dem Malen von „Erinnerungen“: „Nachdem ich an einer Kunstreise teilgenommen habe und dort viel lernen konnte, habe ich den Stil, den ich dort beigebracht bekommen habe, mit meiner bisherigen Herangehensweise vermischt und habe seither einen ganz eigenen Stil, mit dem ich mich richtig wohl fühle. Seither schaffe ich vor allem Bilder vorwiegend von Kindern mit ihren Freunden und Familien. Dafür verwende ich beispielsweise alte Fotos aus den 1940er Jahren bis heute, übertrage sie auf selbst gebaute Leinwände und interpretiere sie zum Teil neu.“ Ihr eigener Stil wird schon durch die Leinwand beeinflusst: „Ich nutze recht dicken Stoff. Dieser zieht zwar die Grundierung stärker auf, aber die gewebte Struktur des Materiales bleibt besser bestehen und die Bilder wirken etwas ,pudriger‘. Das macht die Bilder lebendiger und wirkt nicht so ausgemalt.“Auch Auftragsarbeiten sind möglich
Die Bilder fertigt die zweifache Mutter teils als Auftragsarbeiten – Interessenten können Anja Janik per E-Mail an janik.anja@t-online.de oder telefonisch unter (02594) 9919350 erreichen – und teils, um sie im Rahmen ihrer wachsenden Ausstellungen zu präsentieren. Aktuell läuft etwa die Ausstellung „Memories“ am Flughafen Münster/Osnabrück. Bis zum 31. Januar sind die Werke der Dülmenerin dort noch zu betrachten. Und für Dülmen ist auch bereits eine Ausstellung ihrer Acrylbilder geplant: „Sobald die Umbaumaßnahmen in der Stadtbücherei abgeschlossen sind, werden wir einen Termin festlegen, an dem ich dort einige Bilder präsentieren kann“, freut sich die Künstlerin, sich dann auch dem Dülmener Publikum zu zeigen. „Mir ist das Feedback vor Ort sehr wichtig und ich freue mich schon sehr darauf.“ Nicht nur auf Leinwänden sorgt die Kunstpädagogin für farbenfrohe Erinnerungen, auch das Arbeiten mit Holz hat es ihr angetan: „Oft erzählt das Holz schon vor dem Bemalen eine eigene Geschichte. Ich lasse mich dann von der Maserung inspirieren und führe dann den Pinsel. Häufig sind es Tiere, die ich auf das Holz banne. Leider muss die Holzmalerei allerdings gerade etwas Ruhen – auch hier bekommt man den Rohstoffmangel durchaus mit.“ Neben der Malerei „für sich selbst“ geht Anja Janik aktuell auch voll in ihrer Stelle als Kunstlehrerin am Clemens-Brentano-Gymnasium auf: „Ich liebe es, mit den Schülerinnen und Schülern zu arbeiten. Ich versuche sie dabei da abzuholen, wo sie sind und sie nicht zu überfordern. Und ich lege den Schwerpunkt der Bewertung darauf, wie viel Mühe sie sich geben. Es macht mir einfach mega viel Spaß.“ www.anja-janik-kunst.de
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