Hausdülmen. Jahrzehnte lang war Eberhard Pastor im Flugsport aktiv, und unter anderem betreute er auf dem Flugplatz Borkenberge Jugendliche beim Bau und beim Einsatz von Modellflugzeugen. Als erfahrener Flugsportler führte er im Sommer eine Gruppe Interessierter im Auftrag von Dülmen Marketing über den Flugplatz Borkenberge und nahm sie mit in eine faszinierende Welt – der Welt des Fliegens. Auch im kommenden Jahr sollen solche Führungen wieder stattfinden; Termine stehen noch nicht fest. Dann wird auch ein Ereignis wieder Thema sein, das die Borkenberge vor 100 Jahren erheblich veränderte: ein großer Waldbrand. Er schaffte sozusagen das Terrain für den Flugsport. Aus kleinen Gleitflutversuchen 1926 entwickelte sich bis dato ein Flugplatz, der das ganze Jahr geöffnet ist – und der eine bewegte Geschichte hat…
Von Reimund Menninghaus
Die Fliegerei – das ist eine faszinierende, spannende Welt. Zu dieser Einschätzung gelangt man, wenn man mit Eberhard Pastor auf dem Flugplatz Borkenberge unterwegs ist. Jahrzehntelang war der Dülmener im Flugsport aktiv und hat viele Jahre mit Jugendlichen auf dem Flugplatz Modellflugzeuge gebaut. Im Sommer führte er im Auftrag von Dülmen Marketing eine Gruppe Interessierter, die mit dem Natz von Dülmen alias Heribert Töns mit dem Rad in die Borkenberge gefahren waren, über das Flugplatzgelände. Genau passend zum 100-jährigen Jubiläum der allerersten Ursprünge des heutigen Verkehrsflugplatzes Borkenberge beziehungsweise des Ereignisses, in dessen Folge das Fliegen in den Borkenbergen seinen Anfang nahm.
Denn 1921, vor 100 Jahren, ereignete sich ein großer Waldbrand in den Borkenbergen, bei dem eine erhebliche Fläche der rund 21 Quadratkilometer großen Wald-, Sand- und Heideformation in Mitleidenschaft gezogen wurde. Was an Gräsern und Sträuchern auf dem Brandareal stand, verbrannte – und auch die Bäume. „Auf diesem kahlgewordenen Gelände, übersät mit Baumstümpfen, fand 1926 der erste Segelflugversuch eines Halterners namens Papius statt“, schreibt Egon Graf von Westerholt, dem das nur über Sandwege zu erreichende Gelände seinerzeit gehörte, in der Festschrift anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Borkenberge-Gesellschaft im Jahr 1981.
Eine längere Zeit fand nach diesem ersten Versuch des Weltkrieg-I-Fliegers Ludwig Papius nichts Segelfliegerisches mehr in den Borkenbergen statt. Dann, 1927, gab es eine Besprechung in der Graf-Westerholt‘schen Verwaltung, bei der der 1926 gegründete Luftfahrtverein Gelsenkirchen – der erste in Westfalen – deutlich machte, dass er gerne die Borkenberge zum Westdeutschen Segelfluggelände ausbauen wolle.
Egon Graf zu Westerholt erinnert sich in der Festschrift: „Der 1. Vorsitzende, Herr Dr. Marbach aus Gelsenkirchen, fand Mittel und Wege, mit Hilfe der Industrie und Einzelpersönlichkeiten aus diesem Gelände für die Segelflieger die Borkenberge als Segelfluggelände entstehen zu lassen. Eine immense Arbeit, die dieser Mann mit seinen Helfern geleistet hat. Ihm ist der erste Aufbau der Borkenberge als Segelfluggelände zu verdanken“, schreibt von Westerholt in der Festschrift.
Erstes Segelfliegerheim wurde 1928 eingeweiht
Dann ging es recht fix: Pfingstsonntag 1928 weihte der Luftsportverein Gelsenkirchen das erste Segelfliegerheim ein und führte ein Schaufliegen durch. Und schon im August 1929 fand in den Borkenbergen der erste westdeutsche Segelflugwettbewerb statt.
Das alles setzte viel Engagement voraus: „Hallen und Straßen wurden gebaut, umfangreiche Arbeiten waren im Gelände notwendig, das mit Strauchwerk, Baumstümpfen und Unebenheiten durchsetzt war. Das Gelände musste begradigt werden, um Flugzeugunfällen vorzubeugen“, schreibt Egon Graf von Westerholt. Und: „Die damalige Jugend war mit einer solchen Begeisterung bei der Sache, daß nur der, der die damalige Zeit miterlebt hat, diese Begeisterung der Jugend beurteilen kann.“
Auch Egon Graf zu Westerholt war begeistert – um nicht zu sagen: regelrecht angefixt vom Fliegen: Als er im Juni/Juli 1927 in den Borkenbergen auf der Jagd nach einem Rehbock auf der Pirsch war, „sah ich zum ersten Mal ein Segelflugzeug den Waustberg rutschend, hüpfend und fliegend herunterkommen. Seit dieser Zeit hat mich der Segelflug in den Borkenbergen gepackt“, so seine Selbstauskunft.
Er war damit weiß Gott nicht allein: „An den Wochenenden fuhren sie aus den Großstädten des Ruhrgebietes mit dem Fahrrad in die Borkenberge.“ Teilweise auch mit der Bahn, Ausstieg in Sythen. „Am Sonntag wurde aber am Aufbau gearbeitet, um eventuell einen Start von Waustberg oder Steinberg zu bekommen“, blickt er in der Festschrift von 1981 zurück. „In der Folge wurde das Fluggelände von der Vestischen Luftfahrtvereinigung mit ihren zwölf Ortsgruppen, der Stadt und dem Luftfahrtverein Gelsenkirchen sowie Luftfahrtvereinen aus den Kreis- und Amtsverwaltungen Lüdinghausen, Haltern und Dülmen beschleunigt weiter ausgebaut“, schildern Walter Hoose und Wolfgang Frost in der Festschrift von 1981.
1931 Gründung der Borkenberge-Gesellschaft
In diesen Jahren des Aufbaus wurde 1931 die Borkenberge-Gesellschaft gegründet – der Dachverband aller Vereinigungen, die in den Borkenbergen Luftsport betrieben. Vorsitzender wurde Dr. Marbach aus Gelsenkirchen. Bis 1933 waren auf dem Segelfluggelände Borkenberge das Haus des Flugsportvereins Gelsenkirchen, sieben Heime der verschiedenen Segelflugvereine mit Unterstellmöglichkeiten für drei Flugzeuge, drei große massive Flugzeughallen für insgesamt 90 Flugzeuge und ein Restaurant-Gebäude errichtet. Egon Graf zu Westerholt stiftete zusätzlich ein großes, mehrstöckiges Putz-Fachwerk-Gebäude, das als „Vestisches Bauernhaus“ bezeichnet wurde. 1980 wurde es abgerissen.
1934 ging das Flugsport-Gelände in den Besitz der Borkenberge-Gesellschaft über, und 1936 verkaufte Egon Graf von Westerholt das Gelände an die Borkenberge-Gesellschaft.
Die Nationalsozialistische Zeit führte dann zu einschneidenden Veränderungen. So wurde der Segelflugplatz Borkenberge 1935 zur Reichssegelfliegerschule „erhoben“, wie es in der Festschrift heißt. 1937 wurde das Gelände, sämtliches Eigentum der Borkenberge-Gesellschaft sowie der Fluggruppen ohne Entschädigung enteignet und von der paramilitärischen nationalsozialistischen Organisation „Nationalsozialistischer Fliegerkorps“ – kurz: NSFK – übernommen.
In der NS-Zeit wurde Fluggelände militärisch genutzt
Eine Zeitlang fand dann noch Segelflug in den Borkenbergen statt – allerdings trugen die Personen die NSFK- oder die Flieger-HJ (Hitlerjugend)-Uniform. Doch schon bald wurde das Gelände militärisch genutzt – der zivile Segelflug in den Borkenbergen war passé. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörten Bomben einiges auf dem Gelände, und im März 1945 sprengten die NS-Militärs die übrig gebliebenen Einrichtungen. „Den Rest besorgten die Panzerketten der Sieger“, heißt es in der Jubiläumsschrift von 1981.
Wenige Jahre zuvor – so 1932 – hatte es noch Segelflugrekorde gegeben. Zwei Stunden oder länger kreisten damals die Segelflugzeuge über den Borkenbergen, teils bei eisigen Temperaturen. 1933 segelte dann Wilhelm Krebber aus Seppenrade sechseinhalb Stunden über die Borkenberge.
„Es gab damals ja noch keine Seilwinden oder Motorflugzeuge, die die Segelflieger hochzogen“, schildert Eberhard Pastor das Vorgehen damals. „Also brauchte man oft Pferde, die die Fluggeräte die Hügel hochzogen, und etliche Helfer brachten Gummiseile auf Spannung, an denen die Flugzeuge, die zunächst von weiteren Helfern festgehalten wurden, befestigt waren“, so Eberhard Pastor. Auf Kommando zogen die Helfer an den Seilen und liefen den jeweiligen Hügel hinunter, und die Haltetruppe ließ das Flugzeug los. Segelfliegen – in den Borkenbergen war das eine Menge Teamwork.
Mehrere Hügel in den Borkenbergen, die bis zu 130 Meter hoch waren, wurden hierfür genutzt, und jeder Hügel wurde in eine Schwierigkeitsklasse eingruppiert.
Sechs Jahre dauerte es nach Ende des Zweiten Weltkriegs, bis die Borkenberge wieder ganz allmählich für den Segelflug genutzt werden konnte – als die Alliierten das Flugverbot aufhoben. Allerdings bedurfte es vieler Gespräche, das zu ermöglichen, denn die Alliierten hatten das Gelände in den Borkenbergen zum Truppenübungsplatz erklärt.
1951 wurde dann auch die Borkenberge-Gesellschaft als Dachverband der in den Borkenbergen aktiven Luftsportvereine wiedergegründet – und Egon Graf von Westerholt, der adelige Förderer des Flugsports, wurde ihr erster Nachkriegs-Vorsitzender. Manch ein Segler hatte zwischenzeitlich in der Schweiz oder in Österreich seinen Flugschein aktualisiert.
1952 erhielt die Borkenberge-Gesellschaft das Gelände vom Staat wieder zurück – allerdings brauchten alle einen langen Atem. Denn es geschah immer wieder mal, dass bei militärischen Übungen Panzerfahrzeuge nachts das frisch begradigte Gelände durchpflügten und wieder aufrissen – und damit tage- und wochenlange Arbeit der Fliegerei-Freunde zunichte machten, schildert Egon Graf von Westerholt, der das Amt des Ersten Vorsitzenden der Borkenberge-Gesellschaft 1954 weitergab, in dem Jubiläums-Buch von 1981.
63 Meter hoher Hügel wurde Autobahn-Unterbau-Material
Es entwickelte sich wieder viel Leben auf dem Fluggelände. So wurde das Material des 63 Meter hohen Waustbergs für den Bau der Autobahn 43 verkauft – wodurch sich die nutzbare Ebene auf dem Flugplatzgelände erheblich vergrößerte.
30.000 Flugbewegungen im Jahr
Der Flugplatz Borkenberge ist täglich geöffnet. 5,7 Tonnen das maximale Landegewicht
Lüdinghausen/Dülmen (men). Zwischen 360 und 400 Mitglieder – davon 46 aus Dülmen – zählen die Vereine, die unterm Dach der Borkenberge-Gesellschaft e.V. auf dem Flugplatz Borkenberge dem Flugsport nachgehen – auf einem 60 Hektar großen Gelände im Eigentum der Borkenberge-Gesellschaft, einem Gelände, das postalisch-kommunal zu Lüdinghausen zählt, telefonisch unter Dülmener Vorwahl zu erreichen ist und entfernungsmäßig recht nah zur Stadt Haltern liegt. Das einst erste Segelfluggelände Westdeutschlands, wie es in der Festschrift von 1981 heißt, hat sich immens entwickelt.
„Wirtschaftlich sind wir gut aufgestellt“, sagt Florian Weber, stellvertretender Vorsitzender und Geschäftsführer der Borkenberge-Gesellschaft – auch, wenn die Zahl der Mitglieder in den angegliederten Flugsportvereinen heute niedriger ist als früher. So waren es 1981 noch rund 2.000 Mitglieder. Die Vereine reagierten auf diese Veränderung unter anderem mit Fusionen, so dass aus den 13 Vereinen von vor einigen Jahren mittlerweile neun geworden sind.
„Früher gehörte auch viel Segelflugzeugbau zum Sport: Das Material war Holz, und die Leute hatten offensichtlich wohl einfach mehr Zeit. Heute werden Flugzeuge aus Glasfaser und Kohlefaser gebaut – mit technischem Aufwand, den in der Regel nur Firmen leisten können“, zeigt Florian Weber auf.
Und hat auch Zahlen: „Rund 30.000 Flugbewegungen haben wir hier pro Jahr – immerhin ist der Flugplatz Borkenberge ein Verkehrslandeplatz, so dass wir von der Bezirksregierung verpflichtet sind, den Flugplatz an sieben Tagen die Woche rund ums Jahr geöffnet und in Betrieb zu haben“, so Florian Weber. Das nutzen viele Flieger. „Zumal die Spritpreise bei uns auf dem Flugplatz bis zu 35 Cent pro Liter günstiger sind als bei benachbarten Flugplätzen“, so Weber.
Vor 50 Jahren – 1971 – wurde in dieser Hinsicht ein Meilenstein auf dem Flugplatz gelegt: Die Motorlandebahn wurde asphaltiert. Nach einer Verlängerung im Jahr 2013 um gut 200 Meter ist die 15 Meter breite Start- und Landebahn jetzt 875 Meter lang und ermöglicht bis zu 5,7 Tonnen schweren Flugzeugen das Landen. „Das sind beispielsweise zweimotorige Maschinen mit bis zu zehn Personen“, so Florian Weber.
Als Eigentümer der Fläche, auf der auf einem Bereich auch Aussandung erfolgt, und dank der laufenden Einnahmen etwa aus den Start- und Landegebühren sieht die Borkenberge-Gesellschaft positiv in die Zukunft, so Florian Weber, der bei der täglichen Besetzung des Towers auf eine ganze Reihe Minijobber bauen kann, die im Fliegen fachkundig und teilweise seit Jahrzehnten im Flugsport aktiv sind.
„Es gibt eine Reihe Vereine bei uns in der Borkenberge-Gesellschaft, ist äußerst aktiv und engagiert sind“, freut sich Florian Weber. Und es gibt sehr erfolgreiche Flieger. So ehrte die Borkenberge-Gesellschaft kürzlich noch Mitglied Raphael Twardowski mit der Jahresauszeichnung der Borkenberge-Gesellschaft – dem „Blauen Band der Borkenberge“: Von Borkenberge aus war er am 14. Mai 2020 mit dem Segelflugzeug bis fast zur Ostsee und wieder zurück geflogen und hat damit als erster Pilot von Borkenberge aus eine Strecke von über 1.000 Kilometer im Segelflug zurückgelegt. Dies und noch viel mehr ist auf der Homepage der Borkenberge-Gesellschaft www.borkenberge.com nachzulesen – und von dort aus ist man auch mit einem Klick auf den Homepages der Vereine unterm Dach der Borkenberge-Gesellschaft und kann beispielsweise sehen, dass erst vor wenigen Wochen einer der Borkenberge-Vereine einen nagelneuen Rundhangar in Betrieb genommen hat, dass eine neue Flugschule eröffnet hat, dass im September noch ein Jugendvergleichsfliegen dort stattgefunden hat und vieles mehr.
2 Kommentare
Mein Grossvater war ein Segelflieger in Borkenberge, in den 20er u. 30er Jahren. Ich habe noch Bilder von dem Flugplatz um diese Zeit u. auch die Segelflugzeuge das einer der Vereine gekauft hat, wenn jemand die Geschichte des Flugplatzes zusammenstellt.
Hallo Herr Bruns, wir haben nun tatsächlich die Rückmeldung eines Herrn bekommen, der an einer solchen Chronik arbeitet – können Sie uns Ihre Kontaktdaten an redaktion@duelmenplus.de schicken, damit wir diese an den Herrn weitergeben können?