Größte Anlage dieser Art in der BRD steht in Dülmen auf dem früheren St.-Barbara-Kasernengelände
Dülmen. Die Anlage ist einzigartig in Deutschland: Allein aus Festmist und Gülle produziert sie Biogas mit 98-prozentigem Methan-Gehalt in einer Größenordnung, die den Heizungs- und Warmwasser-Energieverbrauch von 3.000 Vierpersonen-Haushalten abdeckt. Seit März 2020 ist die Anlage auf dem Gelände der ehemaligen St.-Barbara-Kaserne im Betrieb – mit Erfolg. „Wobei wir auch einiges lernen mussten“, räumt Geschäftsführer Christian Harde ein. „Aber es gab und gibt ja nirgendwo eine Anlage, von der wir hätten lernen können“, so der 39-jährige Diplom-Agraringenieur, dem als weitere Geschäftsführer und Mitgesellschafter Johannes Baumeister und Sebastian Strock zur Seite stehen. Betrieben wird die Anlage unterm Dach der BWM Dülmen GmbH gemeinsam von den Unternehmen Agrar- und Umweltservice Möllers (Dülmen) und der revis bioenergy (Münster).
65.000 Tonnen Rinder-, Pferde- und Geflügelmist und 25.000 Tonnen Schweine- und Kälbergülle – das ist das „Futter“, das die Anlage pro Jahr in die Fermentation geschoben bekommt. Der hauptsächliche Energielieferant ist dabei der Festmist. Die Gülle wird hinzugefügt, damit eine flüssige Masse entsteht, die sich technisch gut händeln lässt.
Das Verhältnis Feststoffe-Flüssigstoffe ist dabei das eine Thema. Das andere Thema ist die Zusammensetzung und die Qualität der Festmist-Anteile: „Wir mischen für die Beschickung des Fermenters verschiedene Mist-Sorten miteinander, denn es ist ein Unterschied, ob wir beispielsweise Pferde- oder Rindermist oder gar Hühnermist als Grundlage haben. Und auch die Jahreszeit spielt eine Rolle“, so Christian Harde.
Anlieferungshalle mit Zehn-Tages-Kapazität
Und so ist viel Planung und zugleich viel Automatik mit im Spiel: In der Anlieferungshalle, in der Platz ist für den Zehn-Tages-Bedarf an Mist, packt ein automatisch gesteuerter Greifarm den meist per Lkw angelieferten Mist so, dass die Anlage zur Befüllung der zwei Austragsschnecken immer wieder aus verschiedenen Mistkategorien greifen kann. Auf diese Weise wird die gewünschte Mischung erzielt.
Auf dem Weg des Mistes hin zur Vergärung wird die Gülle zur Verflüssigung beigemengt, und dann gelangt das Substrat in zwei jeweils 10.000 Kubikmeter fassende Gärbehälter. Darin herrschen warme 40 Grad Celsius – ideal für die Methanbakterien, die dort ihr Werk verrichten. Sieben Monate im Jahr muss dabei die Fermentierung gekühlt werden; sollte mal Wärme von außen benötigt werden, wird selbsterzeugtes Biogas verwendet.
Anlage erfordert ein regelmäßiges Monitoring
Regelmäßig wird geschaut, ob die wichtigen Parameter stimmen. „Hauptsächlich an fünf verschiedenen Sachverhalten können wir festmachen, ob die Anlage gut funktioniert. Wenn beispielsweise bestimmte Säurewerte steigen, wissen wir, dass die Bakterien krank sind“, erklärt Christian Harde. Und auch andere Aspekte spielen eine Rolle. „Wenn bestimmte Stickstoffverbindungen zu viel im Substrat sind, ist das Gift für die Bakterien.“ Unterm Strich ist einiges an Monitoring nötig, damit weitestgehend nur die gewünschten biologischen Prozesse in der Anlage ablaufen.
Ergebnis der mehrwöchigen Vergärung ist ein Gasgemisch, das Kohlendioxid, Wasserdampf, Schwefelverbindungen und in der Hauptsache – zu 55 Prozent – Methan enthält. „Damit kann man problemlos Verbrennungsmotoren laufen lassen, die Stromgeneratoren antreiben – was ja auch in vielen Biogasanlagen geschieht“, so Christian Harde.
700 Kubikmeter Gas pro Stunde als Ausstoß
Bei der Anlage der BWM GmbH wird das Gas jedoch aufgereinigt: Beispielsweise wird der Wasserdampf durch Kühlung herauskondensiert, und die Schwefelverbindungen werden biologisch entfernt. Das Kohlendioxid wird aktuell mit Wasser herausgewaschen – künftig soll es separat gewonnen und beispielsweise als Dünger für Gewächshäuser verkauft werden.
Durch diese und weitere Schritte gelingt es, dass am Ende Biogas mit 98-prozentigem Methangehalt die Anlage verlässt – Bio-Methan von Erdgas-Qualität. Durchschnittlich 700 Kubikmeter Bio-Erdgas fließen als Ergebnis bei 0,3 bar Druck pro Stunde durch ein Rohr zur Übergabestelle der Thyssengas unweit der Biogasanlage – über sechs Millionen Kubikmeter im Jahr. „Dort versieht der Gasnetzbetreiber unser Bio-Methan mit Geruchsstoff und pumpt es in die etwa 500 Meter entfernt liegende Erdgas-Transportleitung“, so Christian Harde.
Biogas mit 55 Prozent Methan wird aufgereinigt
Bei näherer Betrachtung stellt die Biogas-Anlage, mit deren Betrieb vier Mitarbeiter befasst sind, eine höchst naheliegende Ergänzung für das seit den 1990er Jahren bestehende Unternehmen Agrar- und Umweltservice Möllers dar: Gründer Ludger Möllers hatte mitten in Hausdülmen auf dem familieneigenen Hof mit Dienstleistungen begonnen, die im Laufe der Zeit immer stärker nachgefragt wurden: vor allem Transport von Klärschlamm und dessen Ausbringung auf landwirtschaftlichen Flächen sowie Transport und Ausbringung von Gülle. Als dann ab Anfang der 2000er Jahre die St.-Barbara-Kaserne mehrere Jahre leer stand, war Ludger Möllers einer derjenigen, der mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) verhandelte. 2012 erfolgte der Eigentumsübergang von der BIMA an die Unternehmergruppe, die einen Teil des Kasernenareals übernahm. Und somit konnte Ludger Möllers mit seinem Agrar- und Umweltservice umziehen.
Ursprünglich kleinere Anlage geplant gewesen
Recht bald – 2013 – wuchs die Überlegung, eine Biogasanlage zu bauen. „Allerdings noch viel kleiner als die Anlage jetzt. Und ursprünglich war auch geplant, eine Anlage zur Verstromung von Biogas zu errichten. Erst später kam die Überlegung, Biogas zu erzeugen, aufzureinigen und dieses Bio-Methan ins Erdgasnetz einzuspeisen“, so Ludger Möllers, der sein Unternehmen 2018 an Christian Harde, Johannes Baumeister und Sebastian Strock übergab.
In der Firma revis bioenergy aus Münster wurde ein Partner gefunden, der bereits einiges an Erfahrung mit mehreren großen Biogasanlagen gesammelt hat und bei diesem neuen Projekt mit einbringen kann.
Die bedeutende Größe der Anlage, die dann 2019 entstand, ergab sich unter anderem daraus, dass es für die Gas-Aufbereitung einer großen Investition bedurfte, die sich erst bei einer entsprechend großen Anlage rechnet. Unterm Strich bedeutete die Biogasanlage der BWM Dülmen GmbH eine Investition in zweistelliger Millionenhöhe.
Eine Investition in zweistelliger Millionenhöhe
Außerdem waren und sind die nötigen Mengen Wirtschaftsdünger greifbar: „Viele Bauern und Pferdehalter sind froh, dass wir ihren Wirtschaftsdünger abnehmen. Sie sparen Investitionen für notwendige Lagerkapazität und erhalten nach der Vergärung ein recht homogenes Substrat zurück, das für viele Pflanzen als vollwertige Grunddüngung geeignet ist. Außerdem liegen die Pflanzennährstoffe nach der Vergärung in einer Form vor, die sehr schnell von den Pflanzen aufgenommen werden kann“, erklärt Ludger Möllers, der seinen drei Nachfolgern noch mit Rat und Tat zur Seite steht.
Gülle und Mist von 120 Betrieben
Insgesamt liefern rund 120 Landwirtschaft und Pferdehaltung betreibende Betriebe aus einem Umkreis von rund 35 Kilometern um Dülmen herum vertraglich vereinbart ihren Wirtschaftsdünger an die Biogasanlage. Großteils holt der Agrar- und Umweltservice Möllers den Dünger auch von den Betrieben ab. Auf diese Weise sind 18 feste Mitarbeiter sowie in Spitzenzeiten 25 weitere Kräfte bei der Firma tätig.
Der Fuhrpark umfasst zehn Lkw mit Silo- beziehungsweise Kippmuldenauflieger; hinzu kommen Transportkapazitäten, die von Landwirtschaftlichen Lohnunternehmen hinzugebucht werden. Auf diese Weise wird Wirtschaftsdünger bis nach Rheinland-Pfalz, Hessen, Ostwestfalen und in die neuen Bundesländer transportiert – dorthin, wo wenig Vieh gehalten wird.
Wirtschaftsdünger erspart eine Menge Kunstdünger
Durch den Einsatz des Wirtschaftsdüngers hier aus NRW wird eine Menge an künstlich hergestelltem Mineraldünger in den vieharmen Gegenden eingespart. So wurde vergangenes Jahr am Kanal in Lüdinghausen ein Binnenschiff mit 1.500 Tonnen Gülle befüllt.
Gelöscht wurde diese Lieferung in Magdeburg und kam in ein etwa 20 Kilometer von Magdeburg entferntes Düngerlager.