Dülmen. Unheimlich vielen Erwachsenen fällt es schwer, im Internet respektvoll mit anderen umzugehen. Abfällige Bemerkungen, Herabwürdigungen, unsachliches Gepöbel findet sich nur allzu oft in öffentlichen Chats/Unterhaltungen. Dass Kinder schon früh lernen, sich bewusst zu machen, was das eigene Wort, die eigene Bemerkung, das eigene Verhalten bewirken kann, dazu findet aktuell in allen drei fünften Klassen der Hermann-Leeser-Realschule jeweils ein sechsstündiger Projekttag statt.
„Gemeinsam cool im Netz“ lautet der Titel dieser drei Projekttage, bei denen die drei städtischen Schulsozialarbeiter Christina Hörbelt, Ruth Dördelmann und Oliver Werthmöller jeweils gemeinsam die Leitung einer der drei Klassen übernehmen und die Klassenlehrer nurmehr als Beobachter am Rande bleiben. „Das entspannt die Situationen – es ist klar, dass keine Schulnoten vergeben werden, und es ist einfach auch etwas anderes, wenn Personen von außen in der Schule wirken“, schätzt Anika Nosthoff, Klassenlehrerin der 5c, an dieser Situation und Konstellation. „Dadurch, dass ich am Rande beobachte, bekomme ich den Projekttag gut mit und kann in der Zeit später im Unterricht darauf aufbauen.“
Anhand eines sechsminütigen Films, der jeweils beim Projekttag gezeigt wird, werden die Schülerinnen und Schüler in eine fiktive Klassensituation mit hineingenommen. Darin kommt ein Schüler neu in die Klasse, der bei Smartphone-Spielen ein absoluter Crack ist und den bisherigen Spiel-Matador in den Schatten stellt.
Den deklassierten Schüler ärgert die Situation, dass er nicht mehr der Top-Gamer der Klasse ist und nicht mehr obenauf schwimmt, und er beginnt sich auf seine Art zu wehren, fängt an zu sticheln …
Wie macht er das, welche Rolle nimmt er ein, wie reagieren die Mitschüler? Wie ist es, wenn man mit Mobbing andere niedermacht? Was bedeutet es, wenn alle dem Treiben zuschauen, ohne dagegen etwas zu sagen, ohne einzuschreiten und sich dagegen zu wehren? Und wie kann es gelingen, dass so eine Mobbing-Situation vielleicht doch beendet werden kann und die Situation nicht eskaliert?
Alle diese Fragen werden beleuchtet. Und in verschiedenen Arbeitsgruppen besprechen die Schülerinnen und Schüler und schreiben auf, wie sich die einzelnen Akteure in so einer Situation fühlen, was sie denken, sagen und was sie tun. Sei es als Täter, der mobbt, sei es als Opfer, das gemobbt wird, sei es als Zuschauer, der vielleicht sogar lacht und damit wie ein Fan des Mobbers erscheint und wirkt. Und was denkt und fühlt wohl jemand, der dem Mobbing ein Ende setzen möchte und in die „Schutzengel“-Rolle schlüpft? Wie kann so ein Schutzengel dem Mobbing-Opfer helfen? Die Plakate, die während der Gruppenarbeit entstehen, werden nach der Gruppenarbeit gesichert und künftig im Klassenraum hängen, so dass sich die Schülerinnen und Schüler immer wieder damit beschäftigen können.
Die Situation, von der die Schulsozialarbeiter ausgehen, ist recht nah aus der Lebenswelt der Schüler gegriffen – dort ist das Spielen von Handy-Games ziemlich „in“. Sowieso haben die allermeisten Schüler in der fünften Jahrgangsstufe ein Smartphone. „Bis auf ein Schüler hier in der 5c haben alle eins“, sagt Klassenlehrerin Anika Nosthoff.
Wobei auch eine Begriffsdefinition für die Schüler wichtig sein dürfte: „Längst nicht alles, was viele als Mobbing bezeichnen, ist auch Mobbing. Denn Mobbing bedeutet, eine Person über einen längeren Zeitraum hin schlechtzumachen und anzugehen. Von daher kann man bei einem Streit beziehungsweise einer normalen Auseinandersetzung nicht von Mobbing sprechen“, erklärt Ruth Dördelmann, die wie ihre beiden Kollegen gute Noten ausgestellt bekommt: „Wir freuen uns sehr über die tolle Vorbereitung und Durchführung der Projekttage“, sagt Petra Baune, 2. Konrektorin der Hermann-Leeser-Schule. „Aber das haben wir beim ersten Durchgang dieser Projekttage an unserer Schule bereits im vergangenen Jahr festgestellt.“
Und so finden diese Projekttage „Gemeinsam cool im Netz“, die allen weiterführenden Schulen in Dülmen angeboten wurden, auch am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium statt.