Dülmen. Er selber war Adeliger und hatte nicht zuletzt als Rittmeister eines preußischen Kürassierregiments einigen Kontakt zu anderen Mitgliedern des Adels. Die Rede ist von Max von Spiessen, der am 22. Juni 1852 als Sohn eines Kreisgerichtsrats in Dülmen geboren wurde und hier bis 1890, dem Jahr seines Umzugs nach Münster, auch seinen Wohnsitz hatte. Max von Spiessen machte sich den Adel aber auch zur Aufgabe: Nach jahre- wenn nicht gar jahrzehntelangen Vorarbeiten gab er 1902/03 das zweibändige „Wappenbuch des Westfälischen Adels“ heraus, das in mehreren Tranchen ausgeliefert wurde. Ein Werk, das auf hunderten Seiten etliche hundert Wappen in Schwarz-Weiß und in Farbe zeigt. Außerdem Infos zu den Adelsgeschlechtern.
Max von Spiessen hat Staats-, Landes- und andere öffentliche Archive besucht, ist zu Adelsfamilien auf ihren Adelssitzen gereist, hat in Adelsarchiven gesucht und hat unter anderem auch in Fachbüchern seiner Zeit recherchiert – das ergibt sich aus den Quellenhinweisen zu den Wappen und zu den genealogischen Angaben, die in dem Wappenbuch nachzulesen sind. Oft hat sich Max von Spiessen in seinen Notizen auch Skizzen von Wappen gemacht.
Für die endgültige graphische Darstellung der Wappen im Buchdruck hat er dann aber den acht Jahre älteren Adolf Matthias Hildebrandt gewinnen können. Hildebrandt, überwiegend wohnhaft in Berlin, wirkte insgesamt knapp 40 Jahre lang als leitender Redakteur der Monatszeitschrift „Deutscher Herold“ – der Zeitschrift des heraldischen Vereins „Herold“, zu dessen Gründungsmitgliedern Adolf Matthias Hildebrandt zählte.
In seinem Vorwort deutet Max von Spiessen an, wie man sich die Arbeit für das Wappenbuch vorzustellen haben könnte:
„Mit den nachfolgenden Blättern sende ich die erste Lieferung des Wappenbuches des Westfälischen Adels in die Welt hinaus. Möge dasselbe überall da, wo es ankommt, freundlich aufgenommen werden und eine bleibende Stätte finden. Es ist ein mit unendlicher Mühe zusammengetragenes Werk, die Frucht der Arbeit langer Jahre. Für einen Einzelnen wäre diese Arbeit nimmer zu bewältigen gewesen, hätte der Verfasser nicht manche Hülfe bei derselben erfahren. Ich statte hiermit Allen, welche mir mit Rath und That beistanden, daß das Werk entstand, wuchs und vollendet wurde (und deren sind Viele, Damen sowohl wie Herren) meinen besten und aufrichtigsten Dank ab.
Die Quellen, aus welchen ich geschöpft, sind jedesmal der Beschreibung der Wappen beigefügt, manche derselben sind inzwischen im Laufe der Jahre (ich will nur an die Entfernung der Epitaphien und Leichensteine aus den Kirchen erinnern) längst versiegt.
Die Stammtafeln der Westfälischen Adelsgeschlechter hoff ich dem Wappenbuche baldigst folgen zu lassen.
Münster im Dezember 1898
Der Verfasser“
Die Stammtafeln, von denen Max von Spiessen in seinem Vorwort spricht, sind allerdings nicht mehr erschienen. Was die Gründe dafür sind? Darüber kann in letzter Instanz nur spekuliert werden.
Sein „Wappenbuch des Westfälischen Adels“ ist jedoch an sich schon ein aufschlussreiches Opus – und ein für die Nutzer höchst hilfreiches dazu.
Denn er liefert auch Beschreibungen für Bestandteile der Wappen – in mannigfaltig aufgeschlüsselter Form.
Damit wird es möglich, Wappen, die man irgendwo unbeschriftet sieht, anhand der Bestandteile zu identifizieren. Diese Bestandteile sind in der schriftlichen Schilderung und Beschreibung in dem Wappenbuch feingliedrig unterteilt. So liest sich unter „Bilder aus dem Thierreich“, Unterpunkt „Vierfüssige Thiere“, beispielsweise der weitere Unterpunkt „Der Löwe“ mit Nennung verschiedener Darstellungsweisen wie etwa „Springender Löwe“ oder auch „Theile eines springenden Löwen“. Und auch „Der Bär und seine Theile“, „Der Wolf und seine Körpertheile“, „Der Fuchs“, „Der Eber und seine Theile“, „Springender Eber“, „Eberkopf“, „Der Hase“, „Das Meerschweinchen“, „Der Biber“, „Der Marder“, „Das Wiesel (Hermelin)“, „Der Bock“ und „Die Kuh, das Kalb, der Ochs und ihre Theile“ sind in den Beschreibungen aufgeführt. Aber auch „Der Hund“, „Der Esel“, „Die Katze“, „Das Pferd und seine Theile“, „Der Affe“, „Der Fischotter mit Fisch im Maul“, „Der Gemskopf“, „Der Hirsch und seine Theile“ finden sich in den Aufzählungen. Wie auch „Fabeltiere“ wie „Das Einhorn“, „Der Flügellöwe, Greif, Panther, Drache etc.“ Und natürlich auch die verschiedensten Vögel: Pelikan, Fasan, Taube, Lerche, Adler, Doppeladler, Specht, Storch, Kranich, Rabe, Falke und Sittich – was immer Bestandteil eines Wappens sein kann. Man sieht also beispielsweise ein Wappen, das einen Fischotter mit Fisch im Maul zeigt, schlägt in den Wappenbeschreibungen nach und findet dort den Namen des Adelsgeschlechts vermerkt, das in seinem Wappen dieses Detail hat, und findet im Register zu Beginn des Wappenbuchs den Hinweis zu der Tafel, auf der das Wappen abgebildet ist.
Auch Wappen, die keine Tier- oder Menschendarstellungen enthalten, lassen sich anhand der Beschreibungen etwa zu verwendeten Balken, Rauten, Schildteilungen wie „rechtsschräge Theilung“ oder „linksschräge Theilung“, anhand des „Pelzwerks“ oder anderer Eigenschaften identifizieren …
Um das „Wappenbuch des Westfälischen Adels“ finanzieren und herausbringen zu können, galt es – wie bei anderen Buchprojekten auch –, einen zahlenden Abnehmerkreis zu gewinnen. Er ist im Subskribenten-Verzeichnis nachzulesen, das im „Wappenbuch des Westfälischen Adels“ dezidiert abgedruckt ist und sich angesichts von über 200 Namen von Adelsfamilien fast schon wie ein „Who is Who“ der Aristokratie liest. Wobei sich speziell das Dülmener Adelshaus von Croy freilich nicht in der Subskribenden-Liste finden lässt. Aber auch unter anderem Landes- und andere Archive sind als Subskribenten genannt, ebenso bürgerliche Einzelpersonen. Knapp 300 Subskribenten sind in der Liste aufgeführt.
Neben und vor allem nach der Herausgabe des „Wappenbuchs des Westfälischen Adels“ hat Max von Spiessen auch Prosa-Literatur verfasst und teilweise herausgegeben. Das dreibändige Werk „Tante Kläres Raritäten“ erschien zum 600-jährigen Stadtjubiläum 1911. Weitere Texte liegen noch unveröffentlicht im Stadtarchiv Dülmen.
Lesung am 2. September: Schon jetzt lädt der Heimatverein Dülmen in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Dülmen und dem Förderverein für Kunst und Kultur in der Stadt Dülmen zu einer Lesung am Freitag, 2. September, 17.30 Uhr, ein. Dr. Ralf Oldenburg aus Dülmen, der 30 Prosaerzählungen aus dem literarischen Nachlass von Max von Spiessen herausgegeben hat, wird dann im einsA aus Max-von-Spiessen-Werken vortragen.
Das „Wappenbuch des Westfälischen Adels“, das die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf verwahrt, ist als Reproduktion in PDF-Form im Internet zugänglich.
max von spiessen - Wappenbuch des westfälischen Adels - Band 2