Dülmen. Wer die Fotos von Dirk Wewerink sieht, erahnt die Faszination, die den Dülmener bewegt, diese Aufnahmen zu machen. Speziell die Bilder, die er in Treppenhäusern gemacht hat. Diese Schwünge und Rundungen, diese Licht- und Schattenbewegungen, dieser Blick quasi ins Unendliche, wenn man von unten nach oben etwa in die Glaskuppel des Treppenhauses schaut, diese Freiförmigkeit, die manchmal keinen Hinweis auf die Größendimensionen zulässt. „Je nach Tageszeit und Blickwinkel sind die Fotos anders. Ich kann 50 Fotos von einem Treppenhaus machen – und alle sind verschieden“, sagt Dirk Wewerink.
Besonders angetan haben es ihm Spiral-Treppenhäuser, in denen sich die Stufen in runden oder auch ovalen Windungen nach oben hin ziehen. „Eckige Treppenhäuser sind in der Regel nicht so spannend“, so Dirk Wewerink, der auch im Kreis Coesfeld ein Treppenhaus für ziemlich fotogen hält: „Das im Coesfelder Rathaus. Die Blicke von unten nach oben wie auch von oben nach unten sind gleichermaßen prägnant.“
Im Laufe der Jahre hat Dirk Wewerink „rund 100 Treppenhäuser“ intensiv vor die Kamera-Linse genommen, wie er erzählt. Die meisten Treppenhäuser hat er in einer einzigen Foto-Session verewigt. „Es gibt aber auch welche, die ich immer wieder mal, wenn ich in der jeweiligen Stadt bin, fotografiere – mit dem Ziel, möglichst noch schönere, noch eindrucksvollere Fotos als die zu bekommen, die ich schon habe“, schmunzelt der Dülmener.
Wie aber wird er überhaupt fündig, woher weiß oder erfährt er, welches Gebäude ein schönes Treppenhaus hat? „Manchmal gehe ich ins Internet und suche anhand von Schlüsselbegriffen. Da kann man schon das ein oder andere schöne oder auch berühmte Treppenhaus finden. Manchmal bin ich aber auch einfach nur in den Städten unterwegs und gehe mehr oder weniger auf gut Glück in die Treppenhäuser.“
Wobei ihm die Erfahrung hilft, oft treffsicher zielgenau fündig zu werden. „Beispielsweise in Hamburg in der Speicherstadt in den Kontorhäusern – da gibt‘s schöne Treppenhäuser. Oder auch in manch anderen älteren Häusern in Hamburg.“ In Berlin am Kurfürstendamm fand er ein Haus mit einem eindrucksvollen geschwungenen Treppenhaus aufgrund der äußeren Erscheinung des Gebäudes. „Das Haus ist nach außen nicht so bescheiden wie die Wohnhäuser in der Nachbarschaft, sondern mondän, und neben der Eingangstür sind Arzttafeln angebracht. Da ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass dort ein schönes Treppenhaus zu finden ist.“
Wenn die Haustür zum Treppenhaus nicht offen ist, bedient sich Dirk Wewerink eines gängigen Tricks: „Ich klingel einfach irgendwo an und sage ,Die Post ist da‘, und schon bin ich im Haus“, schmunzelt Dirk Wewerink. Besonders, wenn er dann Personen im Treppenhaus sieht, bittet er höflich um Erlaubnis, Fotos machen zu dürfen. „Vor allem in Wien in der Wirtschafts-Universität tut man gut daran“, so Dirk Wewerink. Als wohl „mein schönstes Treppenhaus“ bezeichnet er eines in London: „Das Rosentreppenhaus. Wirklich phänomenal.“
Neben den Treppenhäusern hat Dirk Wewerink auch ein Faible für Graffitis – die er in manchen Städten und Stadtteilen en masse findet. Auch hier hält er mit seiner Kamera drauf. Zu Hause hat er Dutzende von 80-mal-120-Zentimeter-Leinwand-Drucken solcher Graffitis sowie von Treppenhäusern, und einige dieser Bilder hat er auch schon mal im Modehaus Ahlert in Dülmen gezeigt. „Eine größere Ausstellung, die ich ins Auge gefasst hatte, fiel dann Corona zum Opfer“, so Dirk Wewerink. Viele dieser Bilder-Drucke stehen in seinem Arbeitszimmer, und einige hängen in der Wohnung. „Immer wieder mal tausche ich die Bilder aus – so ist immer auch Bewegung bei mir zu Hause“, so der Dülmener, der am 14. August 1965 im Dülmener Franz-Hospital zur Welt kam. „Damals war ich der 19.000. Dülmener“, schmunzelt der 57-Jährige. Seinerzeit – die kommunale Neugliederung kam erst später – zählten beispielsweise Buldern und Rorup noch nicht zur Stadt Dülmen.
Schon früh in seiner Jugend legte sich Dirk Wewerink dann eine Kamera zu, weil ihn das Festhalten von Perspektiven so faszinierte. Und mit 20 kaufte er sich ein Motorrad und war in den folgenden zehn Jahren viel mit einer größeren Clique unterwegs – beispielsweise nach Italien, Sizilien und Korsika.
Und mit 16 erlebte er sein erstes Konzert. „Das war in der Halle Münsterland, wo mich die drei Akustik-Gitarristen Al di Miola, Paco de Lucia und John McLovelin mit ihrer Musik in den Bann zogen.“ Als besonders beeindruckend empfand er dann später im August 1994 ein Konzert von Pink Floyd im alten Gelsenkirchener Park-Stadion. Eintrittspreis: 70 Mark.
Heute werden natürlich andere Preise für Rock-, Pop- und Metal-Konzerte aufgerufen. „Da können Innenraum-Tickets beispielsweise für Bruce Springsteen im Madison Square Garden in New York zwischen 800 und 5.000 Dollar kosten“, weiß der Musikfan, der sich deutscher und ausländischer Ticket-Portale bedient, um an Eintrittskarten für die großen Acts zu kommen – mit Erfolg.
So hat er aktuell für dieses Jahr schon eine Reihe Hard-Tickets bei sich zu Hause am Kühlschrank hängen, so dass sich sein Konzertjahr momentan folgendermaßen darstellt: 14. Januar Accept (Oberhausen), 29. Januar Black Stone Cherry (Liverpool), 27. und 29. April Metallica (Amsterdam), 5. Mai Thorbjørn Risager (Hamburg), 21. Mai Bruce Springsteen (Rom), 27. Mai Bruce Springsteen (Amsterdam), 20. Juni Sting (Mönchengladbach), 23. Juni Rammstein (Madrid), 26. Juni Rammstein (Lissabon), 11. Juli Bruce Springsteen (Copenhagen), 15. Juli Broilers (Bonn), 17. Juli Sting (Wien), 18. Juli Bruce Springsteen (Wien), 20. Juli Bruce Springsteen (Hockenheimring), 25. Juli Iron Maiden (Dortmund), 3. August Rammstein (Brüssel). „Und ab August kommen bestimmt noch Konzerte dazu“, so Dirk Wewerink.
Reisen, Konzerte anschauen und Treppenhäuser fotografieren – diese drei Leidenschaften kommen bei dieser Terminliste gut unter einen Hut. „Oft fahre ich mit dem Auto zu den Konzertstädten und hab dann meist auch ein Fahrrad mit dabei. Auf diese Weise bin ich flexibel.“ Und so kann er eine Menge erleben.
Und hat eine Menge zu erzählen: „Als Rammstein mal drei Tage nacheinander im lettischen Riga Konzerte gab, waren im Flieger fast ausschließlich Rammstein-Fans. Und in der Altstadt von Riga mit der tollen historischen Bausubstanz hörte man in diesen Tage aus den Gaststätten und Kneipen fast ausschließlich Musik von Rammstein“, erinnert sich Dirk Wewerink. „So etwas könnte ich mir für Deutschland kaum vorstellen.“
Auch weitere Mentalitäts-Beobachtungen nimmt er mit von seinen Konzert-Foto-Reisen: „In München war ich mal bei einem Guns-‘n-Roses-Konzert im Stadion-Innenraum. Meine Güte – was waren die Besucher da hochnäsig, ohne Bewegung. Ganz anders dann bei den Guns-‘n-Roses-Konzerten in Wien und Barcelona: Da gingen die Zuschauer richtig ab!“
Die Musik, das Reisen und die Fotografie sind ziemlich prägende Momente im Leben von Dirk Wewerink. Zumal mit Blick auf seine aktuelle Berufstätigkeit: „Meine jetzigen Chefs haben mich eingestellt, als sie hörten, dass ich Bruce-Springsteen-Fan bin, denn sie selber sind auch Fans von ihm“, schmunzelt der 57-Jährige, der in Dülmen seine ersten beruflichen Schritte tat: „Im Elektro-Betrieb von Tönne Deblon habe ich meine Ausbildung gemacht und bin dann später nach meiner Bundeswehr-Zeit viel auf Montage gewesen“, blickt Dirk Wewerink zurück. Er schaufelte sich durch Fortbildungen und Lehrgänge weiteres Wissen und Kompetenzen drauf, wurde Niederlassungsleiter einer bauausführenden Firma. Dann kündigte er den Job und hatte vier Monate lang Freizeit, die er unter anderem für einen längeren Aufenthalt in New York nutzte.
Neue berufliche Herausforderung wurde dann ein Planungsbüro für technische Gebäudeausrüstung, das inzwischen mehrere Standorte in Deutschland hat. Dirk Wewerink übernahm die Standortleitung Bocholt und verantwortet inzwischen die Standorte Bocholt, Jena, Wittenberg und Neubrandenburg und ist mittlerweile Technischer Direktor und Mitglied im Management-Team des Unternehmens.
Auch beruflich wird es dem Dülmener also keineswegs langweilig: „Seit 2018 sind wir aktiv bei einem Großküchen-Projekt der St.-Elisabeth-Gruppe in Bochum. Auf einer Fläche von rund 5.000 Quadratmetern entsteht dort eine Großküche mit Koch- und Spülbereich und Kühlarealen. Ziel ist, dass dort eines Tages 15.000 Essen am Tag herausgehen – nach dem Prinzip ,Cook and Chill‘.“ Seit anderthalb Jahren finden bei dem Projekt nun die Baumaßnahmen statt – und damit bei einem Projekt, das es mit dieser Größe und dieser Technik bislang noch nicht in Deutschland gibt. „Es ist schon spannend“, meint Dirk Wewerink, der mit einem 25-köpfigen Team unter anderem auch bei dem Neubau der Tesla-Produktion in der Nähe von Berlin engagiert war.
Manchmal, so räumt er ein, ist er auch in Großstädten unterwegs und wird in Sachen schöne Treppenhäuser nicht fündig. „Solche Tage gibt es auch“, schmunzelt Dirk Wewerink, der inzwischen von vielen Großstädten in Europa und auch manchen in den USA eine ganz spezielle Landkarte im Kopf hat: die Orte eindrucksvoller Konzerte und Häuser mit tollen Treppenhäusern.
Wenn‘s nach ihm ginge, würde er sein Dreier-Hobby Reisen-Konzerte-Fotografie zur Vollzeit-Beschäftigung machen: „Nach einem Lottogewinn würde ich nur noch ‘rumreisen, Fotos machen, Konzerte besuchen – und für Ausstellungen eine große Halle bauen.“
Wer Dirk Wewerink in einem kleinen Film im Interview erleben möchte und wie er in Hamburg das Treppenhaus im Chile-Haus fotografiert, wird im Internet fündig. Auf Instagram ist er unter seinem Nutzernamen dw1408xx zu finden – und sofort strahlen einem dort zahlreiche Treppenhausfotos, Makroaufnahmen und Graffiti-Dokumentationen entgegen.