Dülmen. Der gebürtige Dülmener Dr. Ralf Oldenburg hat mehrere Bücher herausgegeben. Sein erstes Werk versammelt Erzählungen des Dülmener Autoren Max von Spiessen. Daraus liest Oldenburg an diesem Freitag ab 17.30 Uhr bei freiem Eintritt im einsA. Er bringt einige Exemplare von „Das Efeublatt“ mit. Der Verkauf erfolgt zugunsten des Dülmener Sozialkaufhauses MuM24. Auch seine anderen Bücher hat Oldenburg dabei; auch deren Verkauf erfolgt zugunsten von MuM24. – Im Folgenden blickt Dr. Ralf Oldenburg auf sein Leben:
Von Dr. Ralf Oldenburg
Fulda/Dülmen. Es klingt klischeehaft, aber es trifft zu: Mit 8 Jahren begann ich erste Gedichte zu schreiben, die ich vor aller Augen verbarg, die mir aber halfen, das absurde und komplizierte Leben sprachlich zu erfassen und in der näheren literarischen Beschäftigung zu begreifen. Meine Lehrerin, Frau Janssen-Müller von der Anna-Katharina-Emmerick-Grundschule, erkannte rasch, was sprachlich und literarisch in mir steckt und förderte mich. Dann mein zweiter Glücksfall: Ich bekam im Clemens-Brentano-Gymnasium Herrn Sestendrup in Deutsch, der selbst Gedichte schrieb und den Erlös daraus der Welthungerhilfe spendete. Oft brachte er seine Paul-Gedichtbände mit und schenkte sie uns. Ich habe sie bis heute als Andenken in meinem Bücherregal. In einer seiner Schreibwerkstätten las ich auch meine ersten Gedichtversuche vor. Zum ersten Mal öffentlich, aber mit schlechtem Gewissen. Der Applaus war lang. Herr Sestendrup förderte mich, gab mir Tipps und schlug mir 1986, da war ich 17 Jahre alt, vor, an einem Lyrikwettbewerb NRW teilzunehmen. So wurde ich Preisträger und lernte an der Universität Duisburg-Essen Herrn Prof. Dr. Peter Conrady kennen, der den Gedichtband „Tastend nach dem Licht“ herausgab. Auch stellte mir Herr Sestendrup den Schriftsteller Josef Reding vor, der mich inspirierte, weiterzuschreiben und zu veröffentlichen. Ich sollte weiterhin veröffentlichen? Meine unzulänglichen Texte? Unvorstellbar!
Als Student an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster begegnete ich zwei weiteren wunderbaren Dozenten: Herrn Johannimloh und Herrn Prof. Dr. Hein. Johannimloh hatte sich mit Romanen, Geschichten und Gedichten, auch in Plattdeutsch, einen Namen in der westfälischen Literaturlandschaft gemacht. Seine Romane „Appelbaumchaussee“ und „Roggenkämper macht Geschichten“ verschlang ich regelrecht! Auch Prof. Hein, unter anderem der Herausgeber der Johann-Nestroy-Gesamtausgabe, inspirierte mich, etwas ganz Neues auszuprobieren: Theaterstücke schreiben. Nachdem ich in der Oberstufe des Gymnasiums das absurde Theaterstück „Der kroatische Faust“ des jugoslawischen Dramatikers Slobodan Šnajder gesehen hatte, fühlte ich, wie gewaltig Literatur auf das Leben und Wirken der Menschen eingehen und sie verändern kann. Auch die intensive Beschäftigung mit Wolfgang Borcherts Theaterstück „Draußen vor der Tür“ ließ in mir den Wunsch reifen, es ihnen gleichzutun. Na ja, es zumindest einmal zu versuchen. So schrieb ich zwei Theaterstücke, die wir dann an der Studentenbühne des Wolfgang-Borchert-Theaters tatsächlich aufführten: „Bolsena und die sieben Tänze des Lebens“ und „Ein indisches Märchen, von einem Schwärmer verfasst“. 1998 absolvierte ich in der Neueren Literaturwissenschaft an der Universität Osnabrück meinen Magister (MA) und beendete den von Prof. Dr. Winfried Woesler, der später auch mein Doktorvater werden sollte und ebenfalls Dülmener ist, initiierten Aufbaustudiengang „Editionswissenschaft“ in den Bereichen „Nachlassedition“ und „Analytische Druckforschung“.
Im selben Jahr erschien meine Leseausgabe über den westfälischen Dichter und Genealogen Max von Spiessen unter dem Titel „Schollinsen“ („Das Efeublatt“ in der Neuausgabe), nachdem ich ein 4-wöchiges Praktikum im Dülmener Stadtarchiv angetreten und Max von Spiessen mit seinem ungeheuren Potential für mich entdeckt hatte. Dr. Hemann, der Leiter des Stadtarchivs, war es gewesen, der mir die schwarzen DIN-A-5-Hefte und zahlreichen Papiere des Nachlassers anvertraute. Durch die Herausgabe der Leseausgabe erhielt ich 2002 erste Einblicke in die Verlagswelt. Eine schreckliche und zugleich faszinierende Welt für mich! Weitere drei Jahre später schrieb ich meine Promotion in der Philosophie und Germanistik („Wilhelm Waiblinger. Literatur und bürgerliche Existenz“, die als populärwissenschaftliches Buch „Im Musenbordell mit Wilhelm Waiblinger“ demnächst erscheinen wird). In dieser Zeit setzte ich mich ausführlich mit der Schwäbischen Romantik auseinander und arbeitete über Friedrich Hölderlin und Wilhelm Waiblinger. Meine Promotion im Mai 2002 befasste sich mit dem Schwerpunkt „Biographisches Schreiben“. Seither brenne ich für Biografien! Es ist für mich faszinierend, den Weg, den Promis zurückgelegt haben, mit all seinen Höhen und Tiefen, zu verfolgen. Wie kam es dazu, dass diese oder jener berühmt wurden?
In der Folge entstanden zwei Biografien: jene über Wilhelm Waiblinger und über Martin Walser („Wort-Gewänder“) sowie eine autorisierte biografische Skizze über den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko, der 2004 mit Dioxin in Kiew vergiftet worden war und der bis heute darunter gesundheitlich leidet. Es entstand auch ein Vortrag als (zweifacher) Friedrich Hölderlin-Stipendiat in Bad Homburg v. d. Höhe. In jener Forschungsarbeit ging ich der Frage nach, wie Martin Walser von Hölderlins Ausführungen des Sehens inspiriert wurde. Das Ergebnis der Forschungsaktivität präsentierte ich im August 2012 in der Stadtbibliothek Bad Homburg unter dem Titel „Hölderlin ist, finde ich, nicht dunkel“. Darüber hinaus rezensierte ich den Sammelband „Seelenarbeit an Deutschland – Martin Walser in Perspective“ anlässlich des 75. Geburtstags des Schriftstellers.
Von 2013 bis 2018 arbeitete ich an der Biografie über die zweifache Oscar-Preisträgerin Luise Rainer aus Düsseldorf, die ich in ihrer Wohnung in London besuchen und kurz interviewen durfte. Ich erhielt nur deshalb Einlass zu ihr, da sie meine Walser-Biografie gelesen hatte und mich daraufhin kennenlernen wollte. Am Ende des Gesprächs erteilte sie mir schriftlich ihre Einwilligung, ihr Leben aufschreiben zu dürfen. 2019 erschien die Rainer-Biografie „Looking back. Der Blick zurück“.
Die Biografie ist in der Ich-Perspektive verfasst, das heißt ich schlüpfte literarisch in die Rolle der zweifachen Oscar-Preisträgerin und durchlebte mit ihr Höhen, Tiefen, Irrungen und Wirrungen. Ich muss noch heute schmunzeln, wenn ich daran zurückdenke, wie mein damals 10-jähriger Sohn Erik nach der Schule zögernd zu mir ins Arbeitszimmer kam, in dem ich vor dem Computer hockte und in die Tasten drückte, um zu fragen, ob ich schon wieder normal oder noch immer die Diva sei!
2020 lernte ich den Sohn des Schauspielers Horst Frank kennen. Horst Frank gehörte in den 60er und 70er Jahren zu den Filmbösewichten des deutschen und europäischen Kinos und Fernsehens. Sein Sohn öffnete mir das Archiv über seinen berühmten Vater. Es entstanden die Bücher „Im Spiegel. Gesammelte Werke“ und ein Fotoband „Horst Frank on the way“. Letzteres wird in Kürze auf dem Markt erscheinen.
Zurück zum Privatleben: Erik und Klara sind wunderbare Kinder. Ebenso meine Frau Natalya, ohne die ich nicht leben könnte. Ich danke Gott, dass ich sie im Januar 2004 auf der Jungfernfahrt der „Queen Mary II“ kennenlernen und im Dezember desselben Jahres heiraten durfte.
Neben der Biographiearbeit begann ich immer mehr, auch die Belletristik in den Blick zu nehmen. 2019 schrieb ich einen Kriminalroman „Der verstörte Trommler“. Im Mittelpunkt steht ein von erotischen Fantasien und Obsessionen geplagter junger Mann, der sich in einer kapitalistischen Welt zurechtfinden und seinen Platz tagtäglich verteidigen muss. Aktuell habe ich einen Fantasy-Roman „Elodia“ geschrieben, in dem sich eine in einem Labor gezüchtete adipöse Vampirin Schönheit und Attraktivität durch den Biss eines mächtigen Vampirs und der damit verbundenen Neuverwandlung verspricht, was aber ganz anders ausgeht, als sie es sich erhofft. Seit zwei Jahr bin ich nicht nur Autor des Verlages Edition Bärenklau in Berlin, sondern auch ein Talent Scout. Im September werde ich im Rahmen einer Interkulturellen Woche meine Schreibwerkstatt anbieten. Die Texte werden von der Edition Bärenklau veröffentlicht; regionale Veranstalter Fuldas werden die Preisträger zu ihren Lesungen einladen. Darauf freue ich mich auch schon sehr!
Ich werde oft gefragt, ob ich vom Schreiben leben könne. Die Antwort ist klar „Nein!“ Aber das ist nicht schlimm. Neben der Literatur entdeckte ich die Faszination der deutschen Sprache. Seit 1996 gebe ich Integrations- und Berufssprach-sowie Deutsch-als-Fremdsprache-Kurse. Es bereitet mir große Freude, die Zuwanderer und Migranten aus aller Herren Länder in der deutschen Sprache und der sicherlich schweren Grammatik zu fördern und zu fordern. Ohne Sprache kann Integration nicht gelingen.
Oftmals bin ich die erste Kontaktperson, wenn die jungen Menschen nach Deutschland kommen. Gelingt es mir, sie für die Sprache zu gewinnen, bekommen sie in kürzester Zeit ein wohltuendes Selbstbewusstsein und sie trauen sich, mit Deutschen in Kontakt zu treten. Ich werde nie den jungen Mann aus dem Iran vergessen, der vor vielen Jahren in meinen A1-Kurs kam. Ich fragte ihn, welche Wörter oder Sätze er bei seiner Begrüßung in Münster gehört habe, woraufhin er mir antwortete: „Mülltrennung“!