Dülmen. Für den 25-jährigen Dülmener Leon Höltker wird ein Traum wahr, als sein Handy klingelt und einer der Trainer des Football-Teams der Düsseldorf Rhein Fire dran ist und ihm einen Vertrag als Football-Spieler anbietet. Denn: Düsseldorf ist eine der acht deutschen Mannschaften, die in der European League Football (ELF) gegen 18 internationale Teams aus ganz Europa antreten werden.
„Das ist natürlich eine große Ehre, sich auf so einem Niveau messen zu dürfen”, weiß Höltker diese einzigartige Möglichkeit zu schätzen. Als Wide Receiver ist er für das Fangen der Bälle in der Offensive zuständig – eine Position, die bei vielen Football-Fans neben dem Quarterback, der als Spielmacher fungiert, sehr beliebt ist. „Viele, die bei den Coesfeld Bulls zum Training kommen, dürfen sich zunächst als Wide Receiver probieren”, erinnert er sich auch an sein eigenes erstes Training im Jahr 2018 zurück. „Da hab ich anscheinend einen guten Eindruck bei den Coaches hinterlassen, sodass ich die Position weiterspielen durfte.“
Einer der größten Vorteile des 25-jährigen Vertriebsmitarbeiters war immer schon seine Athletik. Angefangen hat er wie viele Jungen mit Fußball bei der TSG Dülmen und spielte dort auch bis zum Seniorenalter für die zweite Mannschaft. „Nebenbei habe ich noch viel im Fitnessstudio getan”, ist Höltker Sportler durch und durch. Mit 1,85 Meter und 85 Kilogramm gehört er in die Klasse der Passempfänger als Slot-Receiver. „Das bedeutet, dass ich mich meist innen aufstelle und von dort aus meine Passrouten laufe”, erklärt der Wide-Receiver. „Da ist es vorteilhaft, wenn Schnelligkeit und Explosivität, aber auch Physis vorhanden ist.”
Welche Rolle er in Düsseldorf einnehmen wird, steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. „Ich hätte auch wohl Lust, als Outside-Receiver tiefe Routen zu laufen”, ist Höltker offen für alles. „Aber aktuell geht es erstmal darum, das Team und das Playbook kennenzulernen.“ Das Playbook ist der individuelle Spielplan eines Footballteams und ist so was wie das Herzstück jeder Mannschaft. „Da muss ich mich in den nächsten Wochen intensiv mit beschäftigen”, lautet einer der Aufgaben für die Vorbereitung auf das Trainingscamp im Mai. „Zum Glück kann ich mich bereits mit meinen neuen Mannschaftskollegen darüber austauschen – das hilft ungemein.” Auch wenn das offizielle Training noch nicht angefangen hat, war Leon schon einige Male auf dem Court in Düsseldorf, um seine Kollegen besser kennenzulernen.
Wie intensiv er für den Traum arbeiten muss, zeigt sich in der Trainingsroutine des Dülmeners. Auch vor der offiziellen Vorbereitung besteht sein Alltag nur aus Arbeit und Sport. „Wer auf so einem Niveau spielen möchte, muss halt Prioritäten setzen”, zeigt Höltker, wie diszipliniert er ist. „Ich bin überzeugt, dass ich alles schaffen kann, wenn ich hart genug daran arbeite.” Nicht umsonst trainiert er mit einem Trainingsplan des ehemaligen National-Football-League-Spielers Christian Mohr, der Höltker als Personal-Coach positionsspezifisch trainiert. „Wenn ich nichts für meine Fitness mache, sitze ich halt am Playbook”, schmunzelt der 25-Jährige, der sein Leben dem Football gewidmet hat.
Doch wie kam er überhaupt zum Football? Alles fing 2015 mit dem Super Bowl zwischen den Seattle Seahawks und den New England Patriots an. „Da bin ich nicht nur Footballfan, sondern auch trotz der Niederlage Fan der Seattle Seahawks geworden”, verrät der Wide-Receiver. „Also gehöre ich definitiv nicht zu den Erfolgsfans”, ergänzt er lachend. Kein Wunder, dass auch sein Vorbild ein Seahawks-Wide-Receiver ist. „Bei den Coesfeld Bulls habe ich bewusst die 89 genommen, wie sie einst Doug Baldwin getragen hatte”, feiert Höltker die explosive Spielweise des Passempfängers. Seit dem Super Bowl schaut er jedes Spiel der National Football League, und seit 2018 ist er selbst als Footballspieler bei den Bulls aktiv. „Ich hab‘ es in der achten Klasse einmal probiert, aber da hat es mich tatsächlich nicht abgeholt”, erinnert er sich an seine ersten Kontakte zu dem amerikanischen Volkssport. „Wenn ich mich jetzt daran zurückerinnere, ärgere ich mich ein bisschen, wenn ich daran denke, wo ich heute bereits wäre.” Nach dem Tryout bei den Bulls 2018 ging dann aber alles ganz schnell. „Ich habe mitten in der Saison bei der TSG Dülmen den Fußball aufgegeben”, wollte er keine Zeit mehr verlieren. „Irgendwann wollte ich mehr und bin zu den offenen Tryouts der ELF-Teams gegangen.” Dafür ist der Vertriebsmitarbeiter extra bis nach Stuttgart, Hamburg und letztendlich auch nach Düsseldorf gefahren, um sich dort zu beweisen. „Es war schon eine Ehre, als ich hörte, dass beim letzten Saisonspiel mit den Bulls gegen Dorsten zwei Coaches unser Spiel beobachteten”, erinnert sich Höltker. „Auch wenn das gängige Praxis ist, dass sich Coaches in der Region umschauen, ist es wirklich sehr aufregend.“
Für den 25-Jährigen stehen ab Sommer viele Trainingseinheiten und Auswärtsfahrten durch ganz Europa an. „Das muss man wirklich wollen, sonst geht das nicht”, weiß Höltker, wie viel Aufwand er für seinen Traum in Kauf nimmt. „Aber es ist auch eine Erfahrung, die nicht viele so erleben dürfen.” Den Weg zum Training teilt sich der Dülmener mit seinen Teamkollegen aus Münster, die ihn unterwegs einsammeln und nach dem Training wieder zu Hause absetzen. „Kostentechnisch ist das optimal, und die Fahrtzeit nutzen wir auch, um uns über unseren Sport und das Playbook auszutauschen”, nimmt er gerne die Zeit in Kauf.
Wie sich Leons weiterer Weg gestalten wird, ist aktuell schwer vorherzusagen. „Erstmal geht es für mich auf den Practice Squad, das ist für neue Spieler der gewöhnliche Ablauf”, kennt der ehemalige Regionalliga-Aufsteiger seine Rolle als Neuling im Team. „Dort kann ich mich dann für den 53-Mann-Kader qualifizieren.” Der Practice Squad ist eine Art erweiterter Kader, der jederzeit zum aktiven Team wechseln kann.
„Von dort aus werde ich alles geben, um schnell aktiv auf dem Platz zu stehen”, lautet das klare Ziel des jungen Sportlers. „Aber erstmal freue ich mich einfach auf die kommende Aufgabe und dass ich meinen Traum, auf höchstem europäischen Niveau spielen zu können, einen Schritt näher gekommen bin. Überhaupt kann ich nur jedem empfehlen, diesen Sport einmal auszuprobieren – da gibt es für jeden Typ Sportler die richtige Position.“