Dülmen. Als der Dülmener Melf Carstensen sich nach seiner Schulzeit entschied, Oecotrophologie (Ernährungswissenschaften) zu studieren, hatte er nur eine grobes Ziel, wohin genau diese Reise gehen sollte. Dass er allerdings einige Jahre später als Ernährungsberater (beziehungsweise „Performance Nutrionist“) der ersten Fußballmannschaft von Borussia Dortmund enden würde, hätte er sich in seinen wildesten Träumen nicht ausgemalt …
Aber von vorne: Der heute 33-Jährige Melf Carstensen ist in Dülmen aufgewachsen und drückte hier auch die Schulbank. Nach der zehnten Klasse besuchte er eine weiter- führende Schule in Coesfeld, dann sollte ein Studium folgen, wie er berichtet: „Eigentlich wollte ich mich in Münster für Oecotrophologie einschreiben – die ZVS hatte jedoch andere Pläne mit mir. Das hat sich allerdings als Glücksfall für mich herausgestellt.“ Denn stattdessen bekam er einen Studienplatz an der Hochschule Niederrhein – wo er über ein Forschungsprojekt plötzlich mit Borussia Mönchengladbach zu tun bekam und „dann alles irgendwie ganz schnell ging“, wie er schmunzelnd berichtet: „Mir wurde ein Posten als Ernährungsberater der U23 angeboten, was ich natürlich gerne annahm. Recht zügig wurde das Aufgabengebiet auf den gesamten Jugendbereich der Gladbacher ausgeweitet, und 2016 war ich dann ,plötzlich‘ Lebensmittelkoordinator Sport der ersten Gladbacher Mannschaft.“ Dieser Traumjob war für ihn eine prägende Station für fast zehn Jahre:
„Als 2021 der damalige Gladbachcoach Marco Rose zu Borussia Dortmund wechselte, ergab sich zur selben Zeit und unabhängig voneinander ebenfalls die Möglichkeit für einen Wechsel zum BVB – diese nahm ich aus verschiedenen Beweggründen wahr. Neben der sportlichen Herausforderung, zum einen die etwas größere Heimat- nähe und zum anderen auch ein Stück weit die Tatsache, dass ich schon als Kind immer Dortmund-Fan war…“
Seitdem lebt Melf Carstensen seinen Fulltime-Job als Teil des Teams hinter dem Team, verbringt große Teile seiner Zeit im unmittelbaren Austausch mit den Fußballprofis und sorgt dafür, dass die Spieler zur richtigen Zeit die optimale Ernährung zu sich nehmen. „Beim Leistungssport ist das mit der Ernährung wie bei einem Sport- wagen“, umschreibt er seine Aufgabe, „es kommt immer darauf an, zur rechten Zeit den optimalen Treibstoff zu nutzen. Und das ist in diesem Fall eine ausgewogene und gesunde Ernährung.“
Einen typischen Arbeitstag hat Melf nicht – eher typische Abläufe um die Spieltage herum: „Wenn samstags ein Spiel ansteht, beginnt die unmittelbare Vorbereitung mit der Ernährung am Freitag. Unser Küchenteam stimmt sich jeweils mit mir ab und bereitet dann leckeres Essen zu. Hamburger vorm Spiel gibt es bei uns logischerweise nicht. Wir versuchen einen guten Rahmen zu schaffen und legen Wert auf möglichst unverarbeitete Lebensmittel in einer hohen Qualitätsstufe – vor allem mit dem Fokus auf Kohlehydrate, wenn es Richtung Spiel geht. Viele Vitamine. Und Entzündungsmanagement ist ein großes Thema. Das Essen sollte zudem schnell verdaulich sein. Ganz klassisch ist da etwa Pasta oder Reis.“
„Schwarze Schafe“, die sich nicht an die Vorgaben halten, gibt es beim BVB nicht, versichert Melf: „Der Fußball ist mittlerweile so professionell geworden, dass die Profis unglaublich diszipliniert mit dem Thema Ernährung umgehen.“ Dennoch achtet er beim Essen schon darauf, was die Profis sich auf den Teller legen: „Wenn sich jemand nur Fleisch vom Buffet holen würde, würde ich ihm schon einen Spruch drücken. Unser Umgang ist professionell, aber möglichst unverkrampft und gut. Da ziehen auch alle mit.“ Tatsächlich habe er eher mit dem Gegenteil von „schwarzen Schafen“ zu tun: „Es gibt Profis wie Julian Brandt oder Mats Hummels, die immer ganz besonders viel wissen möchten, um mit der idealen Ernährung noch mehr aus sich herauszuholen. Das ist natürlich unglaublich motivierend, wenn die Spieler so begeisterungsfähig sind.“
Und auch, wenn Melf Carstensen seinen Job liebt, gibt es einen Haken: „Wenn englische Wochen oder die Champions League an- stehen, ist man natürlich immer mit dabei und auf Reisen. Da bleibt wenig Zeit für Freizeit und Familie. Doch zum Glück ist meine Frau Kim sehr verständnisvoll und hält mir den Rücken frei. Und an ,normalen Tagen‘ genieße ich die Zeit mit meiner Frau und meinen zwei Kindern.“