Dülmen. Einmal im Monat sonntags nachmittags trifft sich die Gruppe „Trau Dich“ im Pfarrheim Heilig Kreuz. Stets steht das Treffen bei Kaffee und Gebäck beziehungsweise Kuchen unter einem speziellen Motto. Das Spektrum der Themen ist vielfältig.
„Die Ursprünge unserer Gruppe liegen im Trauercafé der Ambulanten Hospizbewegung Dülmen“, berichtet Gaby Spitzer. „Wir waren damals schon eine Zeitlang verwitwet, hatten die erste Trauerphase hinter uns und konnten schon wieder hier und da Witze machen – während andere Besucher des Trauercafés noch in der tiefen Trauerarbeit waren“, erinnert sich die 69-Jährige. Zusammen mit ihrer ebenfalls verwitweten langjährigen Freundin Bärbel Husmann aus Sythen gründete sie 2010 die Gruppe „Trau Dich“.
„Zeitweise hatten wir 60 Teilnehmende bei unseren monatlichen Treffen – neben vielen Witwen waren auch vereinzelt Männer dabei, deren Frau verstorben war“, so Gaby Spitzer. Die Zeit von Corona, in der die Treffen aussetzten, brachte Veränderungen. „Seitdem wir wieder mit unseren Veranstaltungen gestartet sind, kommen meist rund 35 Frauen zu den Nachmittagen.“ Eine Zahl, die organisatorisch gut zu wuppen ist. Seit einiger Zeit ist nun auch Hildegard Röckmann aus Dülmen mit im Vorbereitungsteam.
Die Themen bei den Veranstaltungen sind vielfältig. „Wir hatten beispielsweise Werner Bolle von der Polizei bei uns. Themen wie Enkeltrick oder Neues aus dem Straßenverkehrsrecht sind immer aktuell.“ Oder ein Rechtsanwalt war mal als Referent da. „In den 13 Jahren unserer Gruppe war auch drei bis vier Mal Selbstverteidigung und Selbstbehauptung Thema“, so Gaby Spitzer. Auftreten, aufrechte Körperhaltung, resolute Sprache, Abwehrbewegungen. „Es ist schon bemerkenswert, zu welcher Form 80-Jährige in solchen Zusammenhängen auflaufen können“, schmunzelt Gaby Spitzer, die vor 17 Jahren Witwe wurde.
Auch ein Bosch-Vertreter war mal als Referent zu Gast. „Er hatte Bohrmaschinen und Sägen mitgebracht, und wir konnten bei dem Treffen in einem großen Garten die Geräte alle selber mal ausprobieren. Und stellten fest: Wir können das auch – wir müssen uns einfach nur mal damit auseinandersetzen.“ An anderen Treffen gab es von Fachleuten Schmink-Tipps und Massage-Tipps. Oder auch – von einer Oecotrophologin – Ernährung-Tipps. „Manchmal nutzen wir unsere Treffen auch nur zum Quatschen und Klönen oder zum Gesellschaftsspielen“, so Bärbel Husmann, 71, deren Mann vor 18 Jahren starb. Auch der Mann von Hildegard Röckmann, 72, ist seit 18 Jahren tot.
Bei der Themenplanung werden auch die Jahreszeiten berücksichtigt: „Wir feiern beispielsweise Karneval mit Musik, Tanz und Polonaise, und bei unserer Weihnachtsfeier singen wir auch“, so Gaby Spitzer. Mit Blick auf Allerheiligen und Allerseelen findet das nächste Treffen am 29. Oktober in der Kreuzkapelle statt. „Wir feiern dann einen Gedenkgottesdienst“, so Gaby Spitzer.
Viele aus der Gruppe „haben durch die Treffen wieder gelernt, nach vorne zu blicken“, so Gaby Spitzer. Innerhalb der Gesamtgruppe haben sich auch kleinere Konstellationen gebildet, die abseits der Monatstreffen etwas gemeinsam unternehmen. „Wie beispielsweise gemeinsame Urlaube.“
Die drei Organisatoren freut dies: „Dem Leben wieder schöne Seiten abgewinnen, Gemeinschaft erleben, etwas unternehmen und nicht alleine einsam zu Hause versauern – das wollen wir mit unserer Gruppe ,Trau Dich‘. Und das scheint auch offensichtlich zu gelingen“, so Gaby Spitzer.
Gleichwohl haben auch ernste Themen Platz in der Gruppe – wie der Gottesdienst zum Gedenken der Verstorbenen oder auch der Nachmittag mit Marianne Nolde. Die Diplom-Psychologin aus Borken, die als Gerichts-Gutachterin gearbeitet hatte, kam bei einem der jüngsten „Trau Dich“-Treffen als Buchautorin zu der Gruppe. Die geschiedene 69-jährige Mutter von zwei Kindern las jedoch nicht aus ihrem Buch „Eltern bleiben nach der Trennung“, das inzwischen in dritter Auflage erschienen ist, sondern aus ihrem Buch „Elf Tage und ein Jahr“, in dem sie die letzten Lebensphasen ihrer mit 91 Jahren verstorbenen Mutter schildert.
Vor allem die elf letzten Tage ihrer Mutter am Ende des einjährigen Altenheim-Aufenthalts stehen bei der Lesung im Mittelpunkt: Wie die Angehörigen sich um die 91-Jährige versammelt haben, wie sich die Tiefgläubige ausdrücklich verabschiedet und ihren jüngsten Enkel dem ausdrücklichen Schutz der Gottesmutter anempfiehlt, wie sie sich bedankt und Geld verteilt, wie sie die Krankensalbung und Krankenkommunion bekommt. Von Tränen des Abschieds, aber auch der Freude darüber, in welchem inneren Frieden ihre Mutter Abschied nehmen konnte, ist die Rede.
Diese Schilderungen wirkten nicht wenig auf die Teilnehmenden des Nachmittags, die sich mit einem ausdrücklichen Applaus bei der Autorin bedankten.