Dülmen. 2020 gab es in Deutschland 913 Organspenden – knapp 10.000 Menschen warten jedoch auf ein Spenderorgan. 767 Personen auf der Warteliste sind im vergangenen Jahr verstorben. Trotzdem haben sich viele immer noch nicht mit dem Organspendeausweis beschäftigt. Hier möchte Marcus Nagel ansetzen und unter anderem anlässlich des Tags der Organspende aufklären. Geplant ist dafür eine Info-Aktion an diesem Freitag, 4. Juni, auf dem Wochenmarkt. Im Interview mit DÜLMENplus-Mitarbeiterin Lena Riekhoff sprach er über sein eigenes Spenderorgan und wo bei dem Thema noch Unsicherheiten bestehen.
Was war Ihr persönlicher Weg vom Organempfänger hin zum Paten für Organspenden?
Marcus Nagel: Im November 2010 ist mein zweiter Geburtstag, denn da bekam ich von meinem jüngeren Bruder eine Niere transplantiert. So ein Ereignis ist natürlich lebensverändernd, und danach habe ich erst einmal meine Prioritäten im Leben neu sortiert. Nach ein paar Jahren habe ich dann den Kontakt zum Bundesverband der Organtransplantierten (BDO) aufgenommen und fing darüber an, mich im Netzwerk für Organspende als Pate zu engagieren. Mittlerweile halte ich unter anderem Vorträge oder organisiere Informationsstände beispielsweise in Unternehmen, Schulen oder Institutionen. Auch beim Feierabendmarkt war ich schon mit einem Infostand vertreten.
Während der Corona-Pandemie war das vermutlich nicht möglich …
Nagel: Eigentlich war mein Terminkalender für das vergangene Jahr gut gefüllt, doch dann kam Corona. Dadurch ist natürlich alles ausgefallen. Normalerweise bin ich ungefähr zehn Wochenenden im Jahr unterwegs. Jetzt freue ich mich, dass es langsam wieder losgehen kann.
Was ist nun für den Tag der Organspende geplant?
Nagel: Am Samstag, 5. Juni, findet bundesweit der Tag der Organspende statt. In NRW waren in Bonn Veranstaltungen geplant, die nun aufgrund von Corona wieder abgesagt wurden. Eine kleine Info-Aktion hier vor Ort in Dülmen möchte ich aber dennoch durchführen. Einen Tag vor dem eigentlichen Tag der Organspende möchte ich am Freitag, 4. Juni, zur Marktzeit zusammen mit meiner Frau einen Stand aufbauen. Wir haben auch eine kleine Aktion geplant, die aber noch nicht verraten werden soll. Bürgermeister Carsten Hövekamp hat außerdem zugesagt, eine Zeit lang vor Ort zu sein.
Was ist die häufigste Frage, die Ihnen gestellt wird?
Nagel: Bin ich nicht zu alt dafür? Das ist eine Frage, die ich sehr oft höre und verneinen kann. Spenden kann man bis zum Lebensende. Der älteste bekannte Organspender war 93 Jahre alt. Bevor eine Organspende durchgeführt wird, führen die Ärzte ohnehin wichtige Untersuchungen durch und entscheiden dann, ob die Organe geeignet sind. Spender und Organempfänger passen vom Alter her auch ungefähr zusammen. Ein Spenderorgan von einem älteren Menschen würde beispielsweise nicht an eine sehr junge Person gehen.
Welche Unsicherheiten gibt es außerdem?
Nagel: Manche Menschen haben Angst, dass man im Krankenhaus zu leichtfertig zum Organspender gemacht wird, aber das ist nicht der Fall. Zwei unabhängige Ärzte müssen beim Patienten zunächst den Hirntod feststellen, bevor eine Organspende möglich ist. Viele wissen außerdem nicht, dass es reicht, den Ausweis im praktischen Scheckkarten-Format auszufüllen und dass eine weitere Registrierung nicht notwendig ist. Die Karte im Portemonnaie bei sich zu haben reicht vollkommen aus. Auf dieser Karte kann man auch die Entnahme bestimmter Organe ausschließen, wenn man sich speziell damit nicht wohl fühlt.
Was glauben Sie, warum nicht mehr Leute einen Organspende-Ausweis besitzen?
Nagel: Ich denke, dass 80 Prozent eigentlich grundlegend dazu bereit sind, Organspender zu sein, es aber bestimmte Fragen oder Unsicherheiten bei ihnen gibt oder sie das Thema und das Ausfüllen des Organspenderausweises immer wieder nach hinten schieben und vergessen. Deswegen füllen manche Leute direkt bei mir am Stand den Ausweis aus, damit sie ihn anschließend in ihr Portemonnaie packen können und nicht wieder vergessen.
Im vergangenen Jahr wurde in der Politik über die sogenannte Widerspruchslösung diskutiert. Dabei gelten alle Personen grundlegend als Organspender, die nicht dagegen widersprechen. Am Ende entschloss sich der Bundestag dagegen. Was halten Sie von dieser Entscheidung?
Nagel: Ich hatte gehofft, dass es ähnlich wie in den meisten Ländern Europas auch hier die Widerspruchslösung geben würde. Nun wurde beschlossen, dass die Behördenmitglieder Bürgern bei Behördengängen über die Organspende informieren. Aber das ist von den Mitarbeitern nur schwer zu leisten. Außerdem werden so nicht alle Gruppen erreicht. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir weiter Aufklärungsarbeit leisten.
Was hoffen Sie zu erreichen?
Nagel: Dass sich mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen und eine Entscheidung für sich treffen. Die Wahrscheinlichkeit, selber ein Organ zu brauchen, ist viel höher, als tatsächlich zum Organspender zu werden. Organspenden retten Leben. Ohne die Nierenspende meines Bruders wäre ich heute nicht hier.