Dülmen. Nach drei Jahren Corona-Pause fand am Samstag in der Christuskirche wieder eine Podiumsveranstaltung im Rahmen der Konfirmationsvorbereitung statt. „Toleranz trifft Grenzen“ lautete die Überschrift der von Pfarrer Peter Zarmann moderierten anderthalb Stunden.
Es waren Toleranz-Grenzen verschiedener Art, die die Podiumsteilnehmer aufzeigten.
Fabian Hagemann schilderte, wie er vor 16 Jahren beim Thema Verkehrssicherheit seine Toleranz-Grenzen überschritt. Er überlebte mit riesigem Glück einen Verkehrsunfall, bei dem vier von sechs Pkw-Insassen ums Leben kamen. Er und drei weitere Geburtstagsgäste hatten nach durchfeierter Nacht für den Rückweg schon ein Taxi gerufen und wollten einsteigen, als jemand anbot, die vier in seinem Auto mit nach Hause zu nehmen. „Ich kannte ihn nicht“, so Fabian Hagemann. Er und seine drei Begleiter stiegen ein, um die 40 Euro fürs Taxi zu sparen. „Wir waren sechs Leute in dem Opel Astra.“
Es stellte sich heraus, dass der Fahrer reichlich Alkohol getrunken hatte. Er beschleunigte zwischen Coesfeld und Billerbeck auf über 200 Kilometer in der Stunde. „Vor der Blitze wechselte er auf den linken Fahrstreifen und danach wieder zurück nach rechts. Das Auto geriet wegen Raureif ins Rutschen, und frontal knallten wir gegen einen Baum. Der Tacho zeigte 200, der Motor flog 25 Meter und wir Insassen bis zu 35 Meter weit und landeten auf dem gefrorenen Acker.“ Drei Insassen – auch der Fahrer – starben vor Ort und ein anderer am nächsten Tag im Krankenhaus. „Mit sieben Rippenbrüchen hatte ich riesiges Glück“, so Fabian Hagemann. Seitdem hat er für sich strenge Grenzen definiert: „Ich steige zu keinem Fremden mehr ins Auto und hab bei Alkohol und bei Handynutzung im Straßenverkehr null Toleranz“, so der Gescheraner.
Matin Mohammadi, mit weiteren Familienmitgliedern vor sieben Jahren vor den Taliban aus Afghanistan nach Deutschland geflohen, berichtete von seiner ersten Zeit in Dülmen. „Ich hätte gern mehr Kontakt mit deutschen Mitschülern gehabt, um besser Deutsch zu lernen.“ Ein Wunsch, der sich nicht erfüllen sollte. Bei der Familie Eiersbrock in Buldern habe er jedoch große Unterstützung, Hilfe und Freundschaft gefunden, und inzwischen mache er eine Ausbildung im medizinisch-technischen Bereich im Knappschaftskrankenhaus in Recklinghausen.
Dr. Dörthe Schilken, die sich in der Evangelischen Kirchengemeinde Dülmen stark in der Migranten- und Flüchtlingsarbeit engagiert, berichtete von ihrer Arbeit und appellierte dazu, dass mehr Einheimische mit Flüchtlingen und Migranten zum gegenseitigen Kennenlernen in Kontakt kommen. „Dazu müssen wir mehr Möglichkeiten haben.“ Flüchtlinge und andere Migranten konzentriert unterzubringen und ihnen die Möglichkeit zu verwehren, sich über Arbeitstätigkeit in die Gesellschaft zu integrieren, sei der falsche Weg.
Sixtina Harris, die nahe der niederländischen Grenze wohnt, ist Vorsitzende vom „Kolle Kaal Förderverein e. V.“ in Borken. Der Verein hält das Schicksal der seit langem in New York lebenden, heute 90-jährigen Johanna Reiss lebendig, die während der NS-Judenverfolgung in Winterswijk von einer Bauersfamilie versteckt wurde. Das autobiographische Buch „Und im Fenster der Himmel“ von Johanna Reiss habe sie als Lehrerin in Vreden im Unterricht eingesetzt und mit Schülern Fahrten nach Winterswijk unternommen. Mit Erfolg: „Ein Schüler, der – wie seine Eltern – erst den Holocaust leugnete, sagte mir nach der Buchlektüre in der Klasse und unserem Besuch in Winterswijk an den Orten, wo Johanna Reiss gelebt hatte: ,Es stimmt – es gab Judenverfolgung.‘“