Von Reimund Menninghaus
Dülmen. Seit Freitagnachmittag, 11. April, sind an den Häusern Nonnenwall 16, 16a und 18 Behörden-Siegel der Stadt Dülmen angeklebt. Die Gebäude dürfen nicht mehr betreten werden. Die Bewohner mussten die Gebäude verlassen und sich eigenständig ein neues Dach über dem Kopf suchen.
Die Nachricht über die anstehende behördliche Versiegelung hatte die Stadt Dülmen tags zuvor erst persönlich beziehungsweise telefonisch, am Nachmittag dann schriftlich an die betroffenen Personen übermittelt. Grund ist die Einschätzung eines Statikers, dass der alte, unter Denkmalschutz gestellte Keller der Brauerei Limberg unter Nonnenwall 16 und 16a akut einsturzgefährdet sei und bei einem Einsturz die Gebäude Nonnenwall 16, 16a und 18 mitgerissen werden könnten.
Ludger Ruhe, Mieter im Nonnenwall 16, hat nach der Nachricht der anstehenden Versiegelung telefoniert und ein Umzugsunternehmen finden können, das noch am Freitag mit sechs Mann und Aufzug eine Menge aus der Wohnung holen konnte. „Zum Glück konnte der Auftrag, wo das Team eigentlich gewesen wäre, auf nächste Woche verlegt werden“, so Ruhe. „Ich habe eine Stunde geschlafen. Den Rest der Nacht habe ich gepackt. Niemand konnte sagen, ob und wann wir wieder in die Wohnung können“, so Ruhe. Die Möbel werden eingelagert, er und seine Frau wohnen erstmal im Hotel.
Irmgard und Heinz-Georg Zumbusch kommen bei ihren Kindern in Dülmen unter. „So habe ich mir meinen 87. Geburtstag nicht vorgestellt!“, schüttelt Irmgard Zumbusch den Kopf, nachdem sie Freitagmittag emotional wieder die Fassung erlangt hat. Ihr Mann ist 85. Zusammen mit den Verwandten wird Freitag kurz vor Mittag Kleidung und sonst das Nötigste zusammengepackt. Am Vormittag war bei Gericht die anwaltliche Intervention gegen die Behördenmaßnahme gescheitert.
Erfolg hatte die Familie als Eigentümer von Nonnenwall 16 vor Monaten mit einer anderen Intervention: „Die Stadt Dülmen wollte, dass wir vom Nonnenwall 16 den Auftrag geben, den gesamten Keller zu verfüllen. Das Angebot dazu, das die Stadt Dülmen eingeholt hatte, belief sich auf über 400.000 Euro, die wir hätten bezahlen sollen. Der Richter hat uns Recht gegeben, dass wir das nicht bezahlen müssen. Über die Hälfte des Kellers – und zudem der Kellerbereich, in dem sich die baulich schlechteren Bereiche befinden –, liegt auf dem Grundstück Nonnenwall 16a, das nicht unser Eigentum ist. Dass wir die gesamte Verfüllung bezahlen sollen begründete die Stadt damit, dass der einzige Zugang zu dem Keller auf unserem Grundstück liegt“, so Imgard Zumbusch.
Die Person, der das Grundstück Nonnenwall 16a gehört, wohnt nicht mehr dort, sondern in einem Heim; das Gebäude steht leer. Ihre gesetzliche Betreuung hatte die Immobilie vor Jahren verkaufen wollen. Es gab zwar Interessenten – zum Verkauf ist es jedoch nicht gekommen angesichts der offenen Situation mit dem alten Brauereikeller.
Insgesamt hat der zweistöckige Brauereikeller an die 400 Quadratmeter Grundfläche. Das obere Kellergeschoss ist vergleichsweise kleiner – über die gesamte Grundfläche erstreckt sich nur das zweite Untergeschoss (siehe untenstehende Grafik). Der Keller entstand in mehreren Etappen zwischen circa 1868 und Anfang des 20. Jahrhunderts. Seit September 2023 ist der Brauereikeller, in dem unter anderem Eis gelagert wurde, Bodendenkmal.
Nachdem Untersuchungen und Begehungen durch das Bauamt der Stadt Dülmen und externe Bauingenieure vor rund einem Jahr ergeben hatten, dass rund 4,50 Meter breite Kappendecken auf Grundstück Nonnenwall 16a mittig bis zu 15 Zentimeter abgesackt sind und Doppel-T-Träger stellenweise starken bis sehr starken Rost aufweisen, wurden auf Betreiben der Stadt Dülmen zur statischen Sicherung Dutzende Stahlstützen in einen Bereich des Brauereikellers eingebaut, über dem ein privater Weg für Mieter verläuft. Außerdem wurde die Nutzung des Gartens der Immobilie Nonnenwall 16a untersagt, und entlang der Grundstücksgrenze zwischen 16a und Nonnenwall 18 durfte der Garten auf vier Metern Breite am Nonnenwall 18 nicht betreten werden. Hier hatte es auf einem Blumenbeet Bodenabsenkungen gegeben, weil eine Außenwand des Brauereikellers nach innen hin dem Bodendruck nachgegeben hatte.
Alle paar Wochen fanden seit Monaten behördlich initiierte Messungen an dem Bodendenkmal statt.
Am 10. April fand nun ein weiterer Ortstermin statt, an dem auch ein weiterer Statiker teilnahm. Seine Ausführungen, nach denen akute Einsturzgefahr herrsche, führten verwaltungsgerichtlich gestützt dazu, dass die Bewohner von Nonnenwall 16, 16a und 18 am Freitag von der Stadt Dülmen die Mitteilung bekamen, dass sie bis 11. April 13 Uhr die Gebäude bis auf weiteres zu verlassen haben. Denn bei einem Einsturz könnten auch die Gebäude in Mitleidenschaft geraten.
Sobald der Brauereikeller verfüllt sei, könnten die Bewohner wieder in ihre Wohnungen zurück, erklärte die Stadt Dülmen.
Die Stadt Dülmen hat DÜLMENplus auf Nachfrage zu der Thematik folgenden Text zukommen lassen:
„Nutzungsuntersagung Nonnenwall 16, 16A und 18
Informationen und Erläuterung
Die Stadt Dülmen hat am 10. April 2025 eine Nutzungsuntersagung für die Häuser Nonnenwall 16, 16A und 18 ausgesprochen. Die Bewohnerinnen und Bewohner wurden aufgefordert, das Gebäude bis zum 11. April 2025, 13:00 Uhr zu verlassen. Hintergrund ist ein akut einsturzgefährdeter ehemaliger Brauereikeller, der unter zwei der drei Grundstücke liegt und bei einem Einsturz auch das dritte Grundstück sowie die Fundamente der betroffenen Gebäude in Mitleidenschaft ziehen könnte. Eine Gefahr für weitere Gebäude oder öffentliche Straßen und Wege in diesem Bereich besteht nicht.
Der ehemalige Brauereikeller stammt aus dem 19. Jahrhundert. Die Stadt Dülmen wurde auf den Keller aufmerksam, als sie im Zusammenhang mit einem geplanten Immobilienverkauf zu Rate gezogen wurde. Ein erstes Gutachten im April 2024 ergab, dass sich der sieben Meter tiefe Keller in einem sehr schlechten Zustand befindet und einsturzgefährdet ist, da die alten Stahlbauteile in großen Abschnitten der Kellerdecken durch die eindringenden Niederschläge rosten und sich Wände durch den Erddruck verschoben haben. Um Wohnungszugänge vorübergehend zu sichern, ließ die Stadt Dülmen unter Ersatzvornahme von einem Fachunternehmen Stützpfosten für eine provisorische Sicherung in einen Kellerraum einziehen. Außerdem ließ die Stadt Dülmen ein Mess-System einrichten, mit dem der Zustand des Kellers in regelmäßigen Abständen überwacht wurde.
Ein erneutes Gutachten eines Sachverständigen, das dieser mit der Stadt Dülmen in einem Ortstermin am heutigen Tag erörtert hat, hat nun ergeben, dass es trotz der provisorischen Maßnahmen und der regelmäßigen Überwachung jederzeit zu einem Einsturz des Kellers kommen könnte und in Folge die Standsicherheit der Wohngebäude gefährdet wäre. Für die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner besteht damit eine akute Gefahr für Leib und Leben, sodass die sofortige Nutzungsuntersagung unumgänglich war.
Die Stadt Dülmen steht seit Bekanntwerden des schlechten Kellerzustands in regelmäßigem Kontakt zu den betroffenen Grundstücks- und Gebäudeeigentümern und hatte immer wieder deutlich darauf hingewiesen, dass weitere Sicherungsmaßnahmen, wie z.B. eine Verfüllung, dringend erforderlich sind. Die Eigentümer haben sich bisher jedoch konsequent geweigert, entsprechende Schritte einzuleiten. Die von der Stadt Dülmen im Juni 2024 angeordnete Verfüllung des Kellers ließ die Empfängerin gerichtlich per Eilantrag stoppen. Dem Gericht fehlte damals ein hinreichender Nachweis über die Notwendigkeit einer unverzüglichen und vollständigen Verfüllung.
Durch die neue Bewertung eines zweiten Statikers hat sich die Sachlage nun dramatisch verschärft. „In Kenntnis der neuesten Untersuchungsergebnisse wäre es unverantwortlich, Menschen auch nur einen Tag länger in den Gebäuden wohnen zu lassen“, betont Stadtbaurat Markus Mönter. Den Eigentümern war zudem seit langer Zeit bekannt, dass Handlungsbedarf besteht. Ihnen obliegt die Verantwortung dafür, ihre Grundstücke und Gebäude zu sichern und ggf. ihre Mieter über die aktuelle Situation zu informieren.
Um den Bewohnerinnen und Bewohnern den vorübergehenden Auszug aus ihrem Haus zu ersparen, hat die Stadt Dülmen lange versucht, die Nutzungsuntersagung zu vermeiden: Sie hat das Einziehen der Stützen und des Mess-Systems veranlasst, zwei Gutachten in Auftrag gegeben und muss bisher auch die Kosten für all diese Maßnahmen tragen, da die Eigentümer eine Erstattung bisher verweigern. Klageverfahren sind hierzu anhängig. Auch hierdurch entstehen der Stadt Dülmen Kosten.
Von der Nutzungsuntersagung sind sieben Personen betroffen, die nun an einem anderen Ort unterkommen müssen, bis die Gefahr behoben ist. Sie wurden von einer Mitarbeiterin der Verwaltung persönlich über die erforderliche Maßnahme informiert. Eines der Häuser stand bereits zuvor leer. Sobald der Keller ordnungsgemäß verfüllt ist, könnten die Bewohnerinnen und Bewohner zurück in ihre Häuser. Die Stadt Dülmen wird die Eigentümer nun erneut auffordern, die Kellergewölbe verfüllen zu lassen.“