Das Wochenende ist eingeläutet, der Wecker klingelt meistens nicht, viele Dülmener*innen erholen sich von einer stressigen Arbeitswoche. Sie schlafen aus oder frühstücken vielleicht einfach nur spät. Während die Rollladen am Schlafzimmerfenster hochgehen, lacht die Sonne bereits hoch vom Himmel. Hobby-Naturfotograf Fabian Simons hat zu dieser Zeit im Hausdülmener Dickicht bereits die ersten Aufnahmen einer watschelnden Entenfamilie im Kasten. Gerade die frühe Stunde mit dem Sonnenaufgang und der idyllischen Nebellandschaft macht für den 29-jährigen Dülmener hier den besonderen Reiz aus. „Das ist das schönste Licht des Tages“, betont er. Sein Wecker schellt bereits um 5.30 Uhr und das sogar noch früher als an einem normalen Arbeitstag. Und dabei ist es egal, ob draußen Schnee liegt, das Thermometer ein Minus anzeigt oder es gar schwülheiß ist.
Seine Leidenschaft zur Natur und den darin frei lebenden Tieren entwickelte er tatsächlich erst vor rund einem Jahr. Fotografieren dagegen ist schon immer einer seiner Lieblingsbeschäftigungen. Im Februar 2009 fotografiert er für die Dülmener Sportfotoagentur „firo“ sein erstes Spiel in der Fußball-Bundesliga. Es ist die Partie zwischen Borussia Dortmund und der TSG Hoffenheim, in der Simons gleich ein skurriles Foto gelingt, an das er sich bis heute noch gut erinnern kann. „Da hat Schiedsrichter Herbert Fandel seinem Assistenten Maik Pickel augenscheinlich die rote Karte gezeigt. Dabei ist diese für den Hoffenheimer Tobias Weis gedacht, den man aber im Bild kaum wahrnimmt.“
Diese Perspektive zu erwischen habe sicherlich auch mit Glück zu tun. Extremer sei es aber im Tierreich, weiß der Projektmanager im Anlagenbau. „Ein Eisvogel, der sich plötzlich ins Wasser stürzt, um einen Fisch zu fangen, ist aber nicht so berechenbar, wie wenn man vor einem Elfmeter von Robert Lewandowski auf den vermeintlichen Torjubel wartet. Beim Fußball wusste ich: 15.30 Uhr ist Anpfiff und die Partie dauert rund zwei Stunden. In der Natur kann man es einfach nicht wissen und den Bewegungsablauf nicht vorhersagen. Fliegt der Vogel in die oder in die andere Richtung? Werden die Gänse vielleicht aufgeschreckt?“ Fest steht für den Ingenieur: „Tiere sind doch kleiner als Fußballspieler.“
So hat Fabian Simons quasi im Laufe der Zeit, um genau zu sein nach zehn Jahren, das grüne Wohnzimmer der Veltins-Arena auf Schalke mit den Teichen der Heubachniederung in Hausdülmen getauscht. Wenn es einst bei „firo“ jahrelang um den Verdienst seines Lebensunterhaltes ging, ist das Fotografieren nunmehr einzig und allein zu seinem Hobby geworden. „Und darüber bin ich auch froh“, sagt der Schalke-Anhänger.
Seine vorhandene Foto-Ausrüstung kann er problemlos für die Naturfotografie nutzen. Sein graues 400er-Millimeter Canon-Teleobjektiv hat er lediglich in einen Tarnumhang gehüllt, einen ähnlichen Look verliehen, wie man es von den Soldaten bei der Bundeswehr kennt. Doch nicht nur die Optik ist der Natur angepasst, auch mit seiner Camouflage-Jacke und grüner Cargo-Hose ist er am Boden liegend gleichermaßen für Mensch und Tier nur schwer zu erkennen. Und die Tarnung muss sogar so gut gewesen sein, dass ihn ein junges Reh vor wenigen Wochen nicht mal entdeckt hat. Fabian Simons hockte in einer Fahrrille auf einem Feld seiner Schwiegereltern in spe: Es sei purer Zufall gewesen. Der 29-Jährige drückt seine Nase an die Canon-Spiegelreflexkamera, als ein Reh schnurstracks auf ihn zuläuft. Mit einer verlängerten Brennweite auf rund 600mm wird das Tier im Sucher immer und immer größer. „Irgendwann wurde es mir selbst etwas unheimlich. Dann habe ich erstmal die Kamera runtergenommen, damit das Tier ein menschliches Gesicht sieht. Ungestört kam es immer weiter auf mich zu und schaute mich neugierig an.“ Nach zwei bis drei Minuten ist es dann mit ein paar Sprüngen im Feld verschwunden. „Ich gehe respektvoll mit der Natur und den Tieren um. Das schönste ist, wenn sie auf einen zu kommen. Da entsteht eine gewisse Nähe.“
Inzwischen hat sich der Dülmener ein Tarnzelt zugelegt, um noch länger und unbemerkter auf das Foto des Tages warten zu können. Neben der Kamera, den Objektiven und Telekonvertern zählt auch ein Stativ und eine Isomatte zu seiner Ausrüstung. „Es gibt auch Tage, an denen ich mal drei bis vier Stunden an einem Ort bin, ohne einmal den Auslöser gedrückt zu haben.“ Am vergangenen Sonntag dagegen rattert der Spiegel an seiner Kamera fast pausenlos. Fast vor seiner Nase verschlingt ein Purpurreiher einen Frosch. Und das Besondere dabei ist: „Der Reiher hat sich scheinbar auf seinem Weg nach Afrika verflogen“, erklärt Simons das seltene Exemplar im Münsterland. Das Dülmener „Wildlife“ hat also weit mehr zu bieten als ein paar Wildgänse und Enten. „In meinen 28 Jahren vorher habe ich vielleicht einmal einen Eisvogel gesehen. Von nun an achte ich auch mal beim Joggen oder Spazierengehen auf besondere Spots. Zudem habe ich die Lebensräume im Internet recherchiert.“ Als Tierexperte würde sich Fabian Simons aber nicht bezeichnen. „Ich muss im Nachhinein noch googeln, welche Vögel ich überhaupt fotografiert habe.“ Aber eines steht über allem: „Ich möchte die Natur von der schönen Seite zeigen, wie sie ist und wie man sie leider nicht immer sieht.“