Dülmen. „Aufstehen und mit dem Leben tanzen“ lautet der Titel des Buchs, das Silvia Steinberg in der Corona-Zeit geschrieben hat. Am Dienstag, 21. November, Beginn 19 Uhr, wird die 56-Jährige im Dülmener Unverpacktladen Sisu aus ihrem Werk vorlesen. Der Eintritt ist frei, Anmeldung ist nicht erforderlich.
„Der 21. November ist für mich ein besonderer Tag. Denn an diesem Datum genau vor 28 Jahren hatte ich in Münster einen schweren Fahrrad-Unfall, weil ein Bus mir die Vorfahrt genommen hatte. Danach saß ich für ein halbes Jahr im Rollstuhl. Der Unfall hatte bei mir eine inkomplette Querschnitts-Lähmung ausgelöst“, berichtet die Bottroperin.
Ursache für die Lähmung war ein Trümmerbruch im unteren Bereich der Wirbelsäule. „Die Knochentrümmer drückten auf die ableitenden Nervenbahnen, so dass ich von der Hüfte abwärts gelähmt war. Ich konnte nicht mehr laufen und nicht mehr selbstständig Blase und Darm betätigen.“
Acht Stunden hatte die Operation nach dem Unfall gedauert. Die OP und die dreimonatige Rehabilitation in der Bochumer Klinik Bergmannsheil – einer Schwerpunktklinik für Rückenmarksverletzungen – hatten Erfolg. „Gut vier Wochen nach dem Unfall verspürte ich zum ersten Mal wieder ein Gefühl in meinen Zehen! Das war und ist bis heute für mich das schönste Weihnachtsgeschenk, das ich jemals erlebt hatte!“ Es schloss sich eine ambulante Rehabilitation in Münster an.
„Ich wusste, dass ich wieder in die Füße komme.“
„Ich wusste, dass ich wieder in die Füße komme. Nur das ,Wie‘ – das kannte ich noch nicht“, erinnert sich Silvia Steinberg. Gottvertrauen und Zuversicht halfen der studierten Diplom-Theologin, die sich zur Zeit des Unfalls am Beginn einer zweijährigen Tätigkeit im Jugendhaus in Düsseldorf befand. Dort, in der Zentralstelle für kirchliche Jugendarbeit – einer Einrichtung der Deutschen katholischen Bischofskonferenz –, hatte sie ihre erste Anstellung gefunden, und anschließend arbeitete sie beim Bistum Münster im Bildungsmanagement der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und der Ehrenamtlichen-Qualifizierung.
Viel körperliche Bewegung und viel Training brachten Silvia Steinberg wieder auf die Beine. „Eine ziemlich prägende Zeit für mich, während der ich stets eine wertschätzende Behandlung erfahren durfte. Ich habe gemerkt, dass mir immer Menschen geholfen haben – wobei ich erst einmal auch damals lernen musste, auf andere Menschen angewiesen zu sein und Hilfe anzunehmen. Das war eine frühe Lektion für mich. „Ich habe da tolle Ärzte und Pflegekräfte kennengelernt, die sich für ihre Patienten und Patientinnen eingesetzt haben.“ Für diese Erfahrungen ist Silvia Steinberg heute noch dankbar.
Für alle war das Ziel, dass sie wieder ein möglichst normales Leben wird führen können. Das wurde und wird auch von der Berufsgenossenschaft so gesehen. Denn weil ihr Unfall auf dem Weg zur Arbeit stattgefunden hatte, war und ist die Berufsgenossenschaft Kostenträgerin der medizinischen Behandlungen, Rehabilitation und – bis heute – auch der wöchentlichen Physiotherapie.
2005 erlebte Silvia Steinberg eine Zeit der Arbeitslosigkeit. „Eine Phase, in der ich seelisch eine Fortentwicklung durchlebte.“ Als ein Ergebnis machte sie sich als freie Dozentin selbstständig. Seitdem arbeitet sie unter anderem in der Aus- und Fotbildung von Pflege- und Betreuungskräften, in der Gesundheitsförderung für Pflegekräfte und vermittelt als Dozentin unter anderem auch die Themen Tod und Sterben, so beispielsweise auch in der Pflegeschule maxQ in der früheren St.-Barbara-Kaserne.
„Meine schwere Zeit hat uns zusammengeschmiedet.“
Im Laufe der Zeit wurde ihr Leben immer „normaler“. So geht sie regelmäßig mit ihrem Mann wandern. 1995, im Unfalljahr, waren sie schon befreundet, und 1997 heirateten sie. „Meine schwere Zeit hat uns zusammengeschmiedet“, blickt Silvia Steinberg zurück.
Beim Wandern gehen sie und ihr Mann mit verschiedenen Geschwindigkeiten. „Acht bis zwölf Kilometer lange Strecken sind inzwischen bei mir drin. Nur wenn ich müde werde, muss ich stark aufpassen. Denn dann kann es leicht sein, dass ich stolpere.“
„Ich möchte mit meiner Geschichte Mut machen.“
In ihrem 82-seitigen Buch „Aufstehen und mit dem Leben Tanzen“ nimmt sie die Leser*innen mit auf ihre Lebensreise nach dem Unfall. „Ich möchte mit meiner Geschichte Mut machen und zeigen, dass es im Grunde für eine innere Zufriedenheit und fürs persönliche Glück eigentlich gleichgültig ist, ob man in einem Rollstuhl sitzt oder nicht.“ Vielmehr kann eine solche Unfall-Erfahrung und das Umgehen mit den Folgen auch fruchtbar sein. „Ich wäre nicht hier, wo ich jetzt bin, wenn ich den Unfall und die Zeit danach nicht erfahren hätte“, so die Bottroperin. Erfahrungen, die in ihr fruchtbar wirkten.
Bei der Lesung am 21. November zählt sicherlich auch der Bruder der Autorin, Pflegedienst-Inhaber und Dülmener Unternehmer des Jahres Jürgen Steinberg, zu den Zuhörenden. Er hat das Buch seiner Schwester bereits gelesen. „Für alle anderen, die mein Buch auch haben möchten, werde ich Exemplare dabei haben und zum Autoren-Preis anbieten.“ Zudem ist das Buch in jeder Buchhandlung erhältlich.