Dülmen. Ortwin Bickhove-Swiderski, Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), füllt eine Lücke in der Geschichtsschreibung für den Kreis Coesfeld. Erstmals kommt mit seinem neuen, im Laumann-Verlag Dülmen erschienenen 264-Seiten-Buch eine Monographie über „Die politische Verfolgung von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern in Coesfeld, Dülmen und Lüdinghausen“ auf den Markt. Die Farbgraphik auf dem Titelblatt steuerte Bernhard Schlafke bei.
Für die Recherche zu seinem Buch, die sich über einen Zeitraum von vier Jahren erstreckte, hat Ortwin Bickhove-Swiderski in den Stadtarchiven in Coesfeld, Dülmen und Lüdinghausen geforscht und ebenso im Kreisarchiv. „Ich habe überall hervorragende Unterstützung erfahren“, bedankt der 66-Jährige sich auch auf diesem Weg für die zielgerichtete Hilfe.
In dem Text, der ergänzt ist um 260 Fußnoten und Anmerkungen – unter anderem zu den benutzten Quellen –, geht Bickhove-Swiderski anhand der ihm zur Verfügung stehenden Akten dem Schicksal mehrerer Dutzend Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern nach, die Verfolgung unter den Nationalsozialisten erlitten.
So zeichnet er etwa nach, wie es dem KPD-Mann Peter Sonnenberg aus Merfeld und der ebenfalls aus Merfeld stammenden Gewerkschafterin Elisabeth Küper, die nach dem Krieg die CDU in Dülmen mitgegründet hat, ergangen ist. Und dass Wilhelm Göcke, in Dülmen Gewerkschaftssekretär des christlichen Textilarbeiterverbands und in Coesfeld wohnhaft, im „Braunen Haus“ am Dülmener Marktplatz schwer misshandelt wurde – mit Gummischläuchen, die die Nationalsozialisten wie Peitschen verwendeten. Gechasst und aus dem Beruf geschmissen, hatte Göcke kein Anrecht auf staatliche Hilfe, weil ihm kein ordentliches Entlassungsschreiben ausgehändigt wurde. Er musste sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Mehrere andere SPD- und KPD-Mitglieder wurden von den Nationalsozialisten in Konzentrationslager geschickt, und Heinrich Bödiger aus Dülmen war 14 Monate in Haft.
Auch viele Namen der Täter-Seite nennt Bickhove-Swiderski in seinem Buch: so etwa die der NSDAP-Kreisleiter und NSDAP-Ortsgruppenleiter. Aber auch beispielsweise die Namen der 13 Polizisten in Coesfeld, die nach dem Krieg wegen ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit aus dem Dienst suspendiert wurden.
Darüber hinaus befasst sich Bickhove-Swiderski mit den Juristen des Oberlandesgerichts in Hamm. „In der NS-Zeit haben die OLG-Richter über 12.000 Verfahren gegen KPD-, SPD- und Gewerkschaftsleute geführt und 300 Todesurteile gesprochen“, so der Autor.
Warum er sich die Mühe gemacht hat? „Es treibt mich die Frage um, wie es möglich war, dass sich in Deutschland eine Nazi-Herrschaft etablieren konnte. Wenn wir wissen, wie das geschah und was damals passierte, können wir uns heute erfolgreich gegen entsprechende Anfänge wehren“, so Bickhove-Swiderski, der für die Gestaltung des Buch-Frontcovers gratis Unterstützung von Künstler Bernhard Schlafke aus Hiddingsel erhielt. „In Dülmen gründete sich die NSDAP mit jeweils sechs Personen aus Dülmen und Haltern. Am Ende der NS-Zeit hatte Dülmen mit damals 10.500 Einwohnern 700 NSDAP-Parteimitglieder …“, so Bickhove-Swiderski.