Rorup/Dülmen. Als der Litauer Vidmantas Mongirdas 2007 gemeinsam mit Richard Gerdes alte Betten der Heilig-Geist-Stiftung in Dülmen auseinanderschraubte, um sie durch neue Modelle zu ersetzen, fragte er irgendwann interessiert, was nun aus den alten Möbelstücken wird. „Die wandern auf den Müll!“ – Mongirdas hielt direkt inne und wiederholte ungläubig die Antwort: „Auf den Müll? Aber die sind doch noch gut!“
Der heute 47-Jährige war geschockt. Sein erster Kontakt mit den deutschen Bau- und Einrichtungsvorschriften (im SGB XI, dem elften Sozialgesetzbuch, und im Wohnteilhabegesetz wird beispielsweise vorgeschrieben, dass zur Reparatur geschweißte Betten nicht weiter verwendet werden dürfen). „In meinem Heimatland Litauen sind die Betten in Krankenhäusern meistens in einem schlechteren Zustand als die, die ich hier für den Müll vorbereitet habe. Das weiß ich gut, weil meine Mutter nach wie vor in einem Litauer Krankenhaus arbeitet.“
Schnurstracks ging er zum damaligen Vorstand der Heilig-Geist-Stiftung und trug seine Idee vor, die Betten lieber in seine Heimat zu fahren. „Der Vorstand war gleich auf meiner Seite und stimmte zu“, erinnert sich Mongirdas. „Ich war total glücklich und nahm Kontakt zu einem alten Freund von mir auf, der noch in Litauen lebt. Vilius Martusevičius – er war unter anderem Vizeminister der Landwirtschaft und ist daher gut vernetzt.“ Und auch sein Freund war Feuer und Flamme. Gemeinsam organisierten sie einen ersten Transport ausgedienter Möbel für den Osten.
„Dass Vilius sich so engagiert mit eingesetzt hat, war ein Glücksfall“, freut sich Vidman (so der Rufname von Vidmantas Mongirdas) noch heute. „Er hat in Litauen den Bedarf bei Krankenhäusern und auch Privatpersonen ermittelt und dann für die Verteilung vor Ort gesorgt. Ich habe zugleich hier die Transporte organisiert.“
Insgesamt sechs Mal wurden in den vergangenen Jahren so schon Betten, Matratzen und ähnliches aus dem gesamten Verbund der Heilig-Geist-Stiftung gesammelt und von den beiden Freunden nach Litauen gefahren. In dieser Zeit hat Mongirdas längst Wurzeln in Deutschland geschlagen. Gemeinsam mit seiner Partnerin Galina Wagner, einem 27-jährigen Sohn, einer fünfjährigen Tochter und einem zwei Wochen alten Sohn lebt er in Rorup, seinen ältesten Sohn (29) hat es nach Schottland verschlagen. Aus seiner anfänglich selbstständigen Tätigkeit als Elektro-Installateur ist 2016 eine Festanstellung bei der Heilig-Geist-Stiftung geworden, wo er als Mitarbeiter der Haustechnik „jeden Tag etwas Neues erlebt“, wie er strahlend berichtet. „Ich habe vom alten Hausmeister Richard Gerdes so viel gelernt, dass ich auch Reparaturen an der Heizung oder an Fenstern vornehmen kann. Ich liebe den Job.“
Dülmener Betten für die Ukraine
Vor zwei Wochen hätte nun die siebte Bettenfahrt nach Litauen stattfinden sollen – doch hier kam alles ganz anders als in den Vorjahren. Der Grund: Die Ukraine-Krise. „Vilius und ich haben gemeinsam entschieden, dass die Möbel in der Ukraine mehr benötigt werden – und so haben wir neu geplant.“ Und so stellte Vidmantas Mongirdas hier vor Ort gleich zwei Fahrten auf die Beine – unterstützt von Mitarbeiter*innen aus allen Bereichen der Heilig-Geist-Stiftung: „Meine Kollegen packten mit an, die schweren Betten zu zerlegen und unseren Anhänger zwei Mal vollzuladen. Zudem musste jedes einzelne Teil mit speziellen Aufklebern versehen werden, die in der Ukraine vom Militär kontrolliert wurden.“ Der erste Anhänger erreichte das Kriegsgebiet vor zwei Wochen, der zweite am vergangenen Wochenende.
Selber ins Krisengebiet ist Mongirdas nicht gefahren: „Ich bin ja erst vor zwei Wochen erneut Vater geworden – das Risiko wollte ich nicht eingehen.“ Stattdessen war es erst Vilius Martusevičius, später dann ein befreundetes Unternehmen aus der Ukraine, die die Fahrten übernahmen. „Ich stand die gesamte Zeit über mit Vilius in Kontakt und er hat mir Videos aus der Ukraine geschickt. Er ist die ersten 200 Kilometer mit ins Land gefahren, ehe die Betten an Helfer vor Ort übergeben wurden, die die Weiterverteilung an Krankenhäuser veranlassen. Er schickte mir Videos von flüchtenden Menschen und von Reifenstapeln, die zur Kontrolle des Verkehrs auf den Autobahnen aufgetürmt wurden. Wirklich bedrückende Bilder.“
Stephan Chilla, sozial-pflegerischer Vorstand der Heilig-Geist-Stiftung, ist beeindruckt vom Engagement seiner Mitarbeiter und lobt zugleich den Einsatz: „Was Herr Mongirdas und seine Kollegen hier leisten, ist absolut vorbildlich und spiegelt genau den Leitgedanken der Heilig-Geist-Stiftung wider: Die Absicht, sich besonders für ältere und hilfsbedürftige Menschen einzusetzen. Wir werden auch in Zukunft gerne diese beeindruckende Solidarität unterstützen!“