Dülmen/Münster. Rabea Kuhlmann und Anna David aus Hausdülmen und Niklas Hesselmann aus Hiddingsel studieren in Münster katholische Theologie mit dem Ausbildungsziel Pastoralferentin/Pastoralreferent. Also Seelsorge und Gemeindearbeit innerhalb der katholischen Kirche als Hauptberuf. Und stoßen dabei nicht selten auf Unverständnis.
„,Aber Du willst doch wohl nicht etwa Priester werden!?‘ Diese Frage bekomme ich immer wieder zu hören, wenn ich sage, dass ich katholische Theologie studiere“, sagt Niklas Hesselmann. Er verneint dann, denn das Priesteramt strebt er ja nicht an. Aber seelsorgliche Arbeit kann er sich gut für sich vorstellen – und ist in diesem Bereich auch schon in St. Georg Hiddingsel und St. Pankratius Buldern seit vielen Jahren engagiert, etwa in der Messdienergruppenarbeit, im Pfarreirat und auch als Administrator des Internetauftritts der Gemeinden.
Im Rahmen seines Studiums hat er im vergangenen Sommer ein Gemeindepraktikum in St. Bartholomäus in Ahlen absolviert. „Weil der Pastoralreferent, der dazu im Plan stand, kurzfristig persönlich verhindert war, habe ich zusammen mit der evangelischen Pfarrerin einen Einschulungsgottesdienst geleitet. Außerdem habe bei der Firmkatechese mitgewirkt, mich mit dem Leitungsteam der kfd getroffen, Messdiener-Gruppenstunden geleitet und bei der Erstellung einer neuen Gottesdienstordnung mitgewirkt, und auch an zwei Trauergesprächen habe ich teilgenommen und die Beerdigungen mitgeplant“, berichtet der 24-Jährige, der vor seinem Theologie-Studium auch schon einen Bachelor-Abschluss als Kommunikationswissenschaftler gemacht hat. Inhaltlich geht es dabei um PR- und journalistische Arbeit, und so hat er 2017 auch schon ein Praktikum in Rom bei Radio Vatikan gemacht. Im nächsten Jahr, so seine Prognose, werde er sein Theologie-Studium beenden. Dann steht für ihn die Entscheidung an, ob er auf Dauer als Pastoralreferent arbeiten möchte oder seine berufliche Zukunft doch eher im Bereich Kommunikation sieht.
Auch Anna David fährt „zweigleisig“: Auf der einen Seite steht sie kurz vor Beendigung ihres Theologie-Studiums, und auf der anderen Seite studiert sie seit vergangenen Herbst Soziale Arbeit. „Ich fühle mich in der katholischen Kirche heimisch und vor allem in St. Mauritius beheimatet. Robert Vorholt, der damals Pastor bei uns in der Gemeinde war, hat meine Kindheit sehr geprägt. Aber: Kann ich beruflichen Dienst in der Kirche bis zu meinem Rentenalter machen? Diese Frage stelle ich mir, und deswegen ist mir ein Plan B wichtig und die Möglichkeit, beruflich in den Bereich Soziale Arbeit zu wechseln“, so die 24-Jährige. Sie hat die Erfahrung gemacht: „Wenn ich bei Partys sage, dass ich Theologie studiere, beendet das die Unterhaltung. Deswegen sage ich das nicht mehr.“
Manchmal habe sie Angst, dass irgendwann alle Katholiken aus der Kirche ausgetreten sind. „Und dann mache ich einen Firmkurs, und keiner kommt.“ Wie gut seelsorgliche Arbeit auf der anderen Seite Menschen tun kann, hat sie bei ihrem Studien-Pastoralpraktikum in Münster erlebt. „In der Uniklinik war ich drei Wochen lang in der Krankenhausseelsorge tätig und bin in der Corona-Zeit alleine zu zahlreichen Patienten auf ihre Zimmer gegangen und habe mit ihnen gesprochen. Teilweise waren es sehr tiefgründige Gespräche. Dabei habe ich gemerkt, wie gut es ihnen tat, eine Ansprechsperson zu haben.“ Ihre Gemeindepraktika hat sie in St. Nikolaus in Wolbeck und in St. Viktor in Dülmen absolviert. Unter anderem Trauergespräche zählten dabei zu ihrem Tätigkeitsbereich. Und auch etwas ganz Profanes: „Einmal haben mehrere Mitarbeiter aus der Gemeinde hier in St. Viktor probesitzen dürfen. Acht Stunden lang haben wir Stühle fürs einsA ausgesucht“, schmunzelt die Hausdülmenerin, die seit längerem in Münster wohnt. Als weiteres Praktikum steht bei ihr noch eine Zeit in einer der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen des Bistums Münster an.
Am weitesten im Theologie-Studium vorangeschritten und kurz vor ihrem Gemeinde-Einsatz als Pastoralassistentin ist Rabea Kuhlmann. Drei Jahre lang wird die 24-Jährige in der Gemeinde St. Antonius in Rheine tätig sein, wo aktuell auch Lena Gelsterkamp aus Dülmen als Pastoralassistentin wirkt. „Ich habe die Priester und die hauptamtlichen Seelsorgemitarbeiter dort schon kennenlernen können – da bin ich positiv gestimmt“, freut sich Rabea Kuhlmann, die aktuell in Osnabrück lebt, auf die nächste Zeit.
Wie auch ihre Mitstudierenden erlebt sie die Studien- und Berufswahl als Herausforderung: „Alle Studierenden bei uns in der Fakultät sind am Hadern. Von den insgesamt 17 Theologie-Studierenden, die im Jahrgang 2018 mit dem Studium begonnen haben, sind nur noch drei mit dabei.“
Aktuell die größte Hypothek ist der Missbrauchskomplex, der das öffentliche Bild und das Ansehen der katholischen Kirche belastet. „Wir müssen immer dafür geradestehen, wenn weitere Missbrauchsskandale bekannt werden. Denn wir vertreten ja auch die Institution Kirche.“ Eine weitere Erfahrung von ihr: „Viele Leute stellen uns auch in die Ecke derjenigen, die homophob sind.“
Sie könne alle verstehen, „die uns kritisieren“ und könne nachvollziehen, wenn Menschen aus der Kirche austreten. „Ich persönlich bin aber in der Kirche beheimatet, und vor Ort in den Gemeinden passiert sehr viel Gutes, und Menschen können in der Gemeinde über sich hinauswachsen und sich entwickeln“, so die 24-Jährige, die die aktuelle Lage und die Zukunft nüchtern betrachtet: „Ich glaube nicht, dass ich Priesterin werde – will ich aber auch gar nicht.“
Was die Erwartungen der drei für die Zukunft ist?
„In zehn Jahren wird unser Berufsbild anders sein – weil die Gemeinden noch größer werden“, schätzt Rabea Kuhlmann. Und Niklas Hesselmann geht davon aus, dass sich die Seelsorge künftig weniger gemeinde- und territoriumsbezogen und stattdessen stärker auf bestimmte Personengruppen bezogen, kategorial gestalten wird.
„Kirche funktioniert im Miteinander, in der Gemeinschaft – und sie wird künftig noch mehr als Hingeh-Kirche arbeiten müssen, weil die Menschen nicht mehr zu ihr hin kommen. In dieser Hinsicht sehe ich großes Potenzial, Kirche vor Ort zu gestalten. Die Initiative Maria 2.0, die Initiative Out in Church machen da Mut – Gemeinden und Gläubige stemmen sich gegen Althergebrachtes und verändern von unten, von der Basis“, so Niklas Hesselmann.
Eine vollständige Gleichberechtigung von Mann und Frau sieht er freilich noch lange nicht in der katholischen Kirche. „Eher fällt das Pflichtzölibat der Priester, als dass Frauen zu Priesterinnen geweiht werden.“ Es werde noch eine ganze Zeitlang weltkirchliche Entwicklung benötigen, bis solche grundlegenden Dinge geändert werden. „Zum jetzigen Zeitpunkt ein Konzil dazu einzuberufen wäre zu früh.“
Rabea Kuhlmann, Anna David, Niklas Hesselmann – sie alle drei sind auch als Teamer bei Tagen Religiöser Orientierung (TRO) von Schulklassen tätig – in Borken-Gemen, in Gerleve und in Saerbeck. Auch eine Form von Seelsorge – bei der unter anderem grundlegende Lebensfragen Thema sind. „Auch da merken wir, dass Glaube und Kirche etwas geben und Lebenshilfe sein können“, fassen sie ihre Erfahrung dort zusammen.