Rorup. Im Schnitt 100 Kilometer am Tag mit dem Rad und das drei Wochen lang – was für die meisten unerreichbar wäre, ist für Konrad „Konny“ Terlau eine realistische Strecke. Und solche täglichen Entfernungen musste er auch fahren, um sein Ziel zu erreichen, innerhalb von 21 Tagen alle 16 Bundesländer zumindest teilweise zu durchqueren. 2.170 Kilometer legte er am Ende im Juni insgesamt auf seinem Drahtesel zurück.
An Zielen und Routen die Konny Terlau mit dem Fahrrad anvisieren möchte, mangelt es nicht. 2018 radelte er etwa den Jakobsweg bis Santiago de Compostela. In diesem Jahr wurde ihm die Entscheidung aufgrund der Corona-Lage abgenommen. Alles andere als Deutschland erschien dem 53-Jährigen als zu unsicher. Jetzt musste nur noch die passende Route für das Heimatland gefunden werden. Zwar gibt es in Deutschland jede Menge bestehender Radrouten, aber keine einzelne sagte Terlau komplett zu. Schnell bekam er eine Idee: Wie wäre es denn durch alle 16 Bundesländer zu fahren?
„Als ich online dazu recherchiert habe, bin ich nur auf eine Person gestoßen, die das gemacht hat und über ihre Erfahrungen berichtet hat. Dort stand, dass man mit 2.000 Kilometern rechnen sollte. Eine bestehende Deutschlandroute habe ich jedoch nicht gefunden“, sagt der Roruper, der sich prompt seine Wunschstrecke zusammenbastelte. Mit dem Hilfsmittel, dem Kartenprogramm Komoot, kombinierte er verschiedene Fahrradwege zu einer insgesamt 2.170 Kilometer langen Strecke. Die durchschnittlichen 100 Kilometer pro Tag teilte sich der Hobby-Radler je nach Bedarf auf. In Berlin, wo er sich einige Sehenswürdigkeiten anschaute, fuhr Terlau beispielsweise weniger, holte dies aber in flachen Teilen der Route schnell wieder auf. Ein bisschen Spontanität war so trotz der vorher bereits geplanten Gesamtstrecke immer noch vorhanden. „Und auch genug Zeit, mir spannende Sachen am Wegesrand anzuschauen, war immer da“, so Terlau.
Der ausgearbeitete Plan führte ihn von Rorup in den Norden, dann in den Osten und von da aus in den Süden, bevor es wieder Richtung Heimat ging. In den meisten Bundesländern verbrachte Konny Terlau auch eine Nacht, aber nicht in allen, denn manchmal führte die Route geschickt durch lediglich einen kleinen Zipfel der Bundesländer wie beispielsweise in Schleswig-Holstein oder Hessen, welche der Hobby-Radler dann schnell wieder verließ. Allerdings nicht ohne ein Foto zu knipsen. Denn der Roruper hatte sich als kleines Nebenziel gesetzt, alle Landeswappen zu fotografieren. „Manchmal war das recht einfach. Manchmal musste ich aber auch länger suchen auf Flaggen oder Fahnen. Die Polizei war immer eine sichere Anlaufstelle, um ein Wappen zu finden“, erzählt er.
Was war für ihn auf so einer langen Strecke die größte Herausforderung? „Definitiv die Berge in Oberfranken in Bayern. Ich hab die Route bewusst im Uhrzeigersinn von Norden nach Süden gewählt, um mir die nötige Fitness erst einmal anzutrainieren. Und das war auch gut so“, schmunzelt Terlau. Auch wenn er eigentlich Glück mit dem Wetter hatte und nur einen Regentag zu verzeichnen hatte, legte ihm die Hitze in den Bergen einen weiteren Stein in den Weg. Nicht zu unterschätzen ist auch das Gewicht des Gepäcks, das der Qualitätsprüfer im Maschinenbau stets mitschleppen musste. Zelt, Isomatte, Schlafsack, Gaskocher, Wasserflaschen und Co. summierten sich auf über 35 Kilo.
Landschaftlich gab es neben den Bergen noch viel Weiteres zu entdecken. Nach dem Weg über Osnabrück und Bremen gen Hamburg, wählte der 53-Jährige eine Route entlang der Elbe, die durch Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern vorbeiführte. „Das war eine neue Region für mich, die mich positiv überrascht hat. Die Elbauen zeigen wunderschöne Natur und Vögel wie Kraniche oder Störche“, schwärmt der Hobby-Radler von der Region. Anschließend ging es entlang der Strecke „Grünes-Band“. Terlau versuchte so oft, wie es ging, offizielle Radwege zu nutzen, da dort automatische interessante Gegenden angefahren werden. Nach den Bergen in Bayern ging es über Bamberg, dem Taubertal und Odenwald nach Heidelberg und ab Saarbrücken vor allem an den Flüssen Saar, Mosel und Rhein entlang. Bei seiner letzten Übernachtung der Reise in Wesel feierte der Roruper seinen Geburtstag und schaffte es tatsächlich mit einer Punktlandung von 21 Tagen zurück nach Hause –auch wenn er einen Puffertag mit eingeplant hatte.
Neben der Natur wusste Konny Terlau vor allem auch die Begegnungen unterwegs zu schätzen – sei es mit Einheimischen oder anderen Radfahrern. Vor allem die Gespräche in den neuen Bundesländern über die DDR-Vergangenheit verfolgte er mit großem Interesse. So entdeckte er beispielsweise an der ehemaligen Grenze zum Osten einen in Deutschlandfarben lackierten Grenzpfosten. Der Landwirt, dem der Pfosten gehört, erzählte Terlau, dass er den Pfahl bei der Grenzöffnung gesichert hatte, bevor dieser im Rahmen der Wiedervereinigung entfernt werden konnte. „Die Menschen waren sehr offen und hatten Lust über die Vergangenheit zu reden“, sagt Terlau. „Häufig wurde ich auf mein schwer bepacktes Rad angesprochen. Das Interesse an meiner Route war dann groß.“ Seine Begegnungen waren ganz unterschiedlich – mal fuhren Radler eine Strecke mit, mal bekam er Tipps was in der Umgebung besonders sehenswert ist. Ein Highlight war sicherlich das Wiedersehen mit einem Bekannten vom Jakobsweg, mit dem Konny Terlau in Rheinland-Pfalz nicht nur einen Streckenabschnitt fuhr, sondern abends auch ein Bier trank.
Bei seiner Reise war bei dem Roruper jeden Tag die Motivation zu spüren: „Sonst würde ich so eine Tour nicht machen, wenn es Tage gäbe, bei dem ich keine Lust auf das Radfahren habe. Meistens geht es bei mir schon um 6 Uhr morgens los. Das sind dann die schönsten Stunden für mich und da schaffe ich auch die meisten Kilometer.“
Und auch eine Empfehlung hat der 53-Jährige parat: „Mein Geheimtipp für Radfans ist Brandenburg. Dort gibt es viele ausgewiesene Radwege oder auch Fahrradstraßen. Gleichzeitig ist in der Region touristisch noch nicht so viel los, und es sind dadurch weniger Radfahrer unterwegs.“ Dass der Hobby-Radler sich für eine Tour durch Deutschland entscheiden musste, bereut er nicht. Ganz im Gegenteil – er war positiv überrascht: „Ich wusste nicht, dass Deutschland so schöne Ecken hat.“
In 21 Tagen durch ganz Deutschland
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