Dülmen. Totenzettel, wie sie von Angehörigen der Verstorbenen zumeist bei Beerdigungen an die Trauergäste verteilt wurden und werden, sind eine Erinnerungskultur der ganz besonderen Art. Ortwin Bickhove-Swiderski, der seit Jahrzehnten als Heimatforscher tätig ist, sammelt seit sieben Jahren auch diese kleinen Papiere und würde sich freuen, wenn ihm weitere Exemplare überlassen würden.
„Man könnte die Daten der Verstorbenen, die sich aus den Totenzetteln ergeben, erfassen und digital in eine Datenbank aufnehmen. Diese Datenbank könnte man dann um Abbildungen der Totenzettel ergänzen und alles online zugänglich und mit Suchfunktionen gut nutzbar“, sagt der Dülmener.
Als Beispiel hat er unter anderem die Aufarbeitung vor Augen, wie sie die Westdeutsche Gesellschaft für Familienkunde e. V. (www.wgff.de) leistet. Inklusive der verschiedenen Sammlungen, die über die WGFF-Datenbank zugänglich gemacht sind, umfasst der Bestand der Totenzettel-Sammlung der WGFF (www.wgff-tz.de) aktuell über eine halbe Million Stück – und der älteste Totenzettel in der Datenbank stammt aus dem Jahr 1582.
Auch Totenzettel und Abbildungen von beispielsweise rund 40 Personen, die in Dülmen geboren worden sind, können dort aufgerufen werden – inklusive jeweils einem Foto, das die Textseite des jeweiligen Totenzettels zeigt.
Insgesamt, so schätzt Ortwin Bickhove-Swiderski, hat er rund 3.000 verschiedene Totenzettel in seinem Fundus. „Aus den unterschiedlichsten Orten“, sagt er. Beispielsweise auch aus Haltern und Sythen. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines ortsgeschichtlichen Buchs über die Entwicklung der Nationalsozialisten in Haltern stand er in Haltern in der Öffentlichkeit. „Da hat mir eine ältere Frau aus Sythen eine ganze Sammlung Totenzettel übergeben.“
Die wenigsten der Totenzettel in der Sammlung von Ortwin Bickhove-Swiderski – rund 150 Stück – beziehen sich auf Personen, die in Dülmen gestorben sind. In seiner Sammlung hat der Roruper diese Zettel den Kategorien Dülmen, Buldern, Hausdülmen, Hiddingsel, Rorup und Merfeld sowie Kirchspiel und darüber hinaus den Bauerschaftsbezeichnungen Börnste, Daldrup, Dernekamp, Rödder und Weddern zugeordnet.
Einen in Geld zu bemessenen Sammlerwert haben diese Zettel nicht. „Einen Sammler-Markt dafür gibt es nicht. Wenn mal für einen Totenzettel ein oder zwei Euro zu erzielen sind, dann handelt es sich um militärisch besonders ausgezeichnete Personen – hier haben Militaria-Sammler Interesse.“
Viel bedeutender sind Totenzettel in manch anderer Sicht. „Auf vielen der älteren Totenzettel sind verschiedenste Informationen zum Leben der Verstorbenen zu lesen: Schul- und Berufslaufbahn, familiäre Informationen und oft auch Hinweise auf Krankheiten und Todesursachen. Das gibt teilweise ein anschauliches Bild.“
Ein weitaus anschaulicheres Bild auf jeden Fall, als die meisten Totenzettel der Gegenwart vermitteln. „Heute ist meist nur der Name, das Geburtsdatum und das Sterbedatum auf den Totenzetteln zu lesen. Nichts zum Geburtsort, nichts zum Wohnort, nichts zum Sterbeort. Und wenn auch keine örtliche Druckerei ihren Namen abgedruckt hat, weiß man gar nicht, wo der Verstorbene räumlich einzuordnen ist“, so Ortwin Bickhove-Swiderski. „Das ist schon ziemlich anonym.“
Daher befasst sich der 66-Jährige auch mit besonderem Interesse mit älteren Totenzetteln, die aus heutiger Sicht auffällig sind: Auf vielen ist vermerkt, wie aufopferungsvoll, lieb, leutselig und auch fest und treu im christlichen Glauben die Verstorbenen gelebt haben und dass sie vor ihrem Tod das Sterbesakrament – heute spricht man von Krankensalbung – empfangen haben.
Und: Auf manch einem Totenzettel, der sich auf eine verstorbene Frau bezieht, steht der Name der Verstorbenen erst in zweiter Reihe. „In erster Reihe, viel größer gedruckt, ist der Name des Mannes genannt. Da heißt es beispielsweise ,Zum frommen Andenken an die in Gott ruhende Frau August Wies‘ und dann darunter, viel kleiner, ,Anna geb. Meerkamp‘“, so Bickhove-Swiderski. „So etwas ist heute im Zeichen der Gleichberechtigung undenkbar.“
Aber auch die Hinweise auf den Ablass von zeitlichen Sündenstrafen für die verstorbene Person beim Beten abgedruckter Gebete und Vermerk der entsprechenden päpstlichen Dekrete wären heute nicht mehr denkbar. Ebenso wären die Texte auf Totenzetteln von Soldaten der Weltkriege heute undenkbar. Aber das macht es auch interessant, sich mit den vielsagenden Totenzetteln vergangener Zeiten zu befassen.
Wer Ortwin Bickhove-Swiderski Totenzettel geben möchte: Er ist unter 0157 88030324 zu erreichen.