Dülmen (lr). Eine dreistündige Messe im Freien, ein Geschenkewettbewerb und eine Prozession mit der Figur der Mutter Gottes – in seinem indischen Heimatdorf Veerapalli ist Pater Charly Mitta mit anderen Weihnachtstraditionen aufgewachsen, als die in Deutschland üblichen. Vor vier Jahren kam er nach Dülmen. „Hier wird auch die Adventszeit gefeiert beispielsweise mit Weihnachtsmärkten. Das gibt es in Indien so nicht“, erläutert der 39-Jährige. „Viele christliche Rituale sind aber gleich.“
Aufgewachsen ist er in dem Dorf Veerapalli in Südindien, das vor 90 Jahren von christlichen Missionaren gegründet wurde. Heute leben 300 Familien dort. Das ganze Dorf feiert an Weihnachten mit und die Häuser sind festlich geschmückt. Ähnlich wie in Deutschland finden die Hauptfeierlichkeiten auch an Heiligabend statt. In der Durchführung gibt es aber große Unterschiede: Ganze drei Stunden lang ist die Messe mit einer 1,5-stündigen Predigt. Zusätzlich gestaltet wird die Messe durch Musik und Gesang und unter anderem mit Trommeln unterstützt. Zuvor findet ein Krippenspiel statt, das die Jugendlichen durchführen. „Es sind so viele dabei anwesend, dass der Platz in der Kirche nicht ausreichen würde und die Messe deswegen draußen stattfindet“, beschreibt der Pater. Bei hohen Temperaturen von bis zu 35 Grad ist das Frieren dort ausgeschlossen.
Nach der Messe küssen alle Anwesenden die Figur des neugeborenen Jesus und erhalten einen Segen. Anschließend veranstaltet die Gemeinde eine Prozession mit der Maria-Figur durch das ganze Dorf. Dabei wird gesungen und getanzt. Auch Angehörige anderer Religionen wie beispielsweise Hindus kommen zu diesem Teil der Weihnachtsfeierlichkeiten. Der Heiligabend bildet den Höhepunkt des Weihnachtsfestes. „Am nächsten Tag sind dann alle müde“, schmunzelt Charly Mitta. Am meisten gefällt ihm, dass gemeinsam gefeiert wird. „An Weihnachten kommen alle zusammen und kochen, reden und essen gemeinsam. Das ist großartig“, sagt er.
Das Essen spielt eine große Rolle. Meistens gibt es ein Reisgericht mit Fleisch. Vorfeld werden außerdem Lebensmittel gesammelt und diese werden am ersten Weihnachtstag vor der Kirche gemeinsam verkocht und als Gericht ausgegeben – vor allem an arme Menschen. Die Kinder wünschen sich hauptsächlich neue Kleidung zu Weihnachten und die Eltern geben ihr Bestes diesen Wunsch zu erfüllen. Nicht immer haben sie dafür jedoch genug Geld. „Das finde ich in Deutschland schön, dass jeder ein Geschenk bekommt“, sagt Charly Mitta.
Eine besondere Möglichkeit an ein Geschenk zu kommen gibt es aber in Veerapalli: In der Vorweihnachtszeit findet ein Wettbewerb statt, bei dem die Teilnehmer*innen in kleinen Spielen ihr Können unter Beweis stellen und als Gewinner an Heiligabend ein kleines Präsent erhalten. Die Spiele variieren je nach Alter und Geschlecht. So balancieren die Frauen beispielsweise mit einem Löffel eine Flüssigkeit, ohne sie zu verschütten oder fädeln möglichst schnell Garn in eine Nadel ein. Für die Männer stehen eher sportliche Wettkämpfe wie Rennen oder Volleyball auf der Tagesordnung.
„Nicht überall in Indien wird jedoch so Weihnachten gefeiert wie bei uns im Dorf. Es gibt große Unterschiede je nach Gegend“, betont der Pater. Und so wie er es aus seiner Kindheit gewöhnt ist, wird das Dorf in diesem Jahr auch leider nicht feiern können. Nicht nur die Corona-Pandemie hat für Veränderungen und verstärkte Armut gesorgt. Nach einer großen Dürre gab es in diesem Jahr Überschwemmungen, die den Bewohner*innen große Schwierigkeiten bereiten.