Dülmen. Mittlerweile ist Heribert Töns schon routiniert in seiner Rolle als Dülmener Natz. Im Mai löste er seinen Vorgänger Herbert Möllers ab und ist seitdem als sechster Natz bei Stadtführungen, Fahrradtouren und Co. unterwegs. Natürlich darf dabei auch die klassische Kleidung mit gestreiftem Hemd, rotem Halstuch, Kappe und Holzschuhen nicht fehlen. Wie der 61-Jährige zu seiner ungewöhnlichen Tätigkeit kam und was diese alles beinhaltet, verriet Töns in einem Interview mit DÜLMENplus-Mitarbeiterin Lena Riekhoff.
Wie sind Sie zum Natz von Dülmen geworden?
Heribert Töns: Vor gut einem Jahr habe ich mich bei Dülmen Marketing gemeldet, weil ich gerne Reiseleiter von Pättkes-Touren werden wollte. Geschäftsführer Tim Weyer sagte mir dann, dass ein Nachfolger für den Natz gesucht wird. Da musste ich erst einmal eine Nacht drüber schlafen. Ich habe zunächst einmal mit meinem Vorgänger Herbert Möllers gesprochen, der meinte, dass ich mich dafür eignen würde. Das nötige Plattdeutsch habe ich beim Theater der Kolpingsfamilie gelernt.
Was motivierte Sie, die Rolle des Natz zu übernehmen?
Heribert Töns: Es macht Spaß, als Natz Dülmen zu vertreten und sich mit der Geschichte intensiver zu beschäftigen. Dabei bin ich auch auf Dinge gestoßen, die ich vorher noch nicht über Dülmen wusste. Außerdem habe ich als Hausmann im Vorruhestand ausreichend Zeit für die Tätigkeit.
Welche Aufgaben gehören zu dem Posten dazu?
Heribert Töns: Ich biete Stadtführungen – öffentliche, aber auch auf Anfrage. Die öffentlichen Stadtführungen finden an unterschiedlichen Terminen, die bei Dülmen Marketing und in der Presse veröffentlicht werden, statt. Am vergangenen Wochenende machte ich zum Beispiel zwei Stadtführungen anlässlich der Biathlon-Tour, die in Dülmen Halt machte. Hinzu kommen Fahrradtouren und Führungen in der Wildbahn. Im September geht es etwa mit einer Gruppe Holtwicker Landfrauen zur Wildpferdebahn, wo ich ein bisschen was vom Pferd erzähle. Wir besuchen dann anschließend noch den Hof van Beek, wo der Film „Unter Bauern“ gedreht wurde – da habe ich sogar eine kleine Komparsenrolle gespielt. Der Natz kann zusätzlich auch für Auftritte bei Familienfeiern und Co. gebucht werden. Dort gebe ich kleine plattdeutsche Gedichte und Dönekes zum Besten.
Wie haben sich vorbereitet?
Heribert Töns: Für die Stadtführung habe ich viele Informationen über die Stadt zusammengesucht – beispielsweise aus dem Buch von Stadtarchivar Dr. Stefan Sudmann über Dülmen. Daraus habe ich mir dann die spannendsten und wichtigsten Aspekte rausgesucht. Ich bin bei meiner Recherche auch auf Dinge gestoßen, die ich vorher nicht wusste, wie beispielsweise, dass Goethe an der Alten Poststation Aufenthalt in Dülmen hatte.
Worauf können sich die Teilnehmer*innen bei einer Stadtführung freuen?
Heribert Töns: Es werden alte Bauwerke in Dülmen gezeigt, unter anderem der Nonnenturm, die Viktorkirche oder das Lüdinghauser Tor. Zwischendurch erzähle ich dann Dönekes auf Plattdeutsch. Das heißt aber nicht, dass die ganze Führung auf Plattdeutsch ist, sodass auch die diejenigen die kein Platt beherrschen, teilnehmen können. Es werden kleine Anekdoten erzählt und Erklärungen für bestimmte Phänomene gegeben. Die Tiberstraße ist zum Beispiel krumm, weil die Häuser entlang des Tiber-Flusses, der mittlerweile unterirdisch fließt, gebaut wurden. Mein persönlicher Favorit ist die Bärenstiege. Wie diese ihren Namen bekommen hat, beantworte ich ebenfalls.
Was ist der Natz eigentlich? Woher kommt die Dülmener Figur?
Heribert Töns: Natz ist eigentlich ein Spitzname für den Namen Bernhard. Er bezieht sich in dem Fall aber auf den Gastwirt Bernhard Ostrop, der in Dülmen Mitte des 19. Jahrhunderts eine Schlüsselfigur war. Seine Gaststätte lag an der Coesfelder Straße und war ein wichtiger Ort, um Informationen auszutauschen – von Reisenden und Einheimischen. Eine Art Nachrichtenzentrale. In den 1920er Jahren folgte ihm dann Wilhelm Majert, der als Natz unter anderem launige Verse erzählte, und so wird die Tradition seitdem immer weiter fortgesetzt.
Die Kleidung des Natz ist auf jeden Fall stilecht – bequem sind die Holzschuhe aber vermutlich nicht …
Heribert Töns: Die Holzschuhe sind eigentlich durchaus bequem. Bei zwei Führungen hintereinander, nach zwei Stunden, gibt es dann allerdings doch eine Druckstelle. Aber wie es bekanntlich heißt: Wer schön sein will, muss leiden (lacht).