Friedhelm Wiesmann und Olaf Sewald sind mit der Vermarktung des BOLDMEN CR4 gestartet
Von Reimund Menninghaus
Dülmen/Welden. Technik vom BMW Z4 M40i, eine Voll-Carbon-Karosserie und Details aus Carbon, zwei Türen, zwei Sitze, zwei Turbolader, drei Liter Hubraum, sechs Zylinder in Reihe, 408 Pferdestärken. Und ganz viel Individualität und Exklusivität beim Fahrzeugdesign und bei der Außen- und Innenausstattung. Das sind Merkmale des Roadsters BOLDMEN CR4, den Friedhelm Wiesmann und Olaf Sewald kürzlich vor Weihnachten in Dülmen Interessenten präsentierten.
„Die erste Edition vom CR4 ist auf 30 Exemplare beschränkt – und inzwischen sind 20 davon verkauft und acht ausgeliefert. Die noch ausstehenden Bestellungen werden jetzt von unserem zehnköpfigen Team in der Produktion bearbeitet“, sagt Friedhelm Wiesmann.
Zusammen mit seinem Bruder Martin Wiesmann hatte er in den 1980er Jahren die Geschichte der Dülmener Automanufaktur Wiesmann grundgelegt. Über 1.600 Fahrzeuge entstanden in der Folgezeit in Dülmen. Ende 2011 stieg Friedhelm Wiesmann aus der Geschäftsführung des Unternehmens aus und baute zusammen mit seiner Frau in München das Unternehmen Wiesmann Alps als Stützpunkt für den Wiesmann-Vertrieb Bayern und Österreich auf. Nach der Insolvenz der Firma Wiesmann 2013, „die die neue Geschäftsführung zu verantworten hatte und die ich aus der Zeitung erfuhr“, so Friedhelm Wiesmann, entwickelte er für die neuen Wiesmann-GmbH-Eigentümer ein Konzept zur Wiederaufnahme der Fahrzeugproduktion. „Wir hätten wenige Wochen später wieder durchstarten können“, so Friedhelm Wiesmann. Doch es sollte ein völlig neues Fahrzeug entwickelt werden, so die Entscheidung der neuen Eigner.
Friedhelm Wiesmann entschied sich in der Folge 2015, das Unternehmen zu verlassen, und zog sich in seine Wahlheimat Rottach-Egern am Tegernsee zurück.
Vom Tegernsee aus arbeitete er fortan als Unternehmensberater – unter anderem für Start-ups –, bis sich Adolf P. Prommersberger bei ihm meldete. Der frühere Geschäftsführer der BMW M GmbH berichtete am Telefon von Harald Kaes und Michael Kaes. Die beiden – Vater und Sohn – könnten gut Hilfe von einem erfahrenen Auto-Marketingfachmann gebrauchen.
Friedhelm Wiesmann nahm zu den beiden Kontakt auf. Die Chemie stimmte, zumal Vater und Sohn Kaes auch ziemliche Autoenthusiasten sind: Harald Kaes, aktuell 56 Jahre alt, Elektroingenieur, IT-Spezialist und Oldtimerfan. Und sein Sohn Michael, aktuell 31 Jahre alt, gelernter KFZ-Mechatroniker und mit 19 Jahren vor zwölf Jahren jüngster KFZ-Meister in Bayern.
Beide hatten auf Basis eines BMW 135i Cabrio der Serie BMW E88 ein Replika-Fahrzeug entwickelt. Als Hommage an den BMW 2002, der von 1968 bis 1975 gebaut wurde, verbindet dieser Wagen das Design von einst und die Technik von heute. Der Name der Neuentwicklung: Everytimer 02. Insgesamt 15 Exemplare dieses Fahrzeugs sind gebaut worden – das Projekt ist beendet. „Der Everytimer ist etwas für Sammler und war für Vater und Sohn Kaes ein Pilotprojekt“, sagt Friedhelm Wiesmann, der mithalf, dieses Pilotprojekt zu Ende zu bringen.
Schon bald war klar: Es gibt ein neues Projekt. Exklusive Sportwagen. Friedhelm Wiesmann wurde Geschäftsführender Gesellschafter der BOLDMEN GmbH, die sich um Marketing und Vertrieb der Fahrzeuge kümmert. Weiterer Geschäftsführer ist Harald Käs, und als Vertriebsleiter konnte der Dülmener Olaf Sewald gewonnen werden.
Hergestellt werden die BOLDMEN-Fahrzeuge unterm Dach der BOLDMEN Automobile GmbH; hier sind Harald und Michael Kaes Geschäftsführende Gesellschafter. Innerhalb von zwei Jahren gelang es dem Team, den BOLDMEN CR4 beim TÜV durch eine 330-Punkte-Checkliste und damit bis zur europaweiten Typzulassung zu bringen – ein Fahrzeug, bei dem Friedhelm Wiesmann seine Handschrift in puncto Fahrzeugdesign und vor allem seine Erfahrung, Kontakte und sein gutes Renommee in der Branche mit einbrachte.
Und so liefert BMW fertige Fahrzeuge vom Modell BMW Z4 M40i nach Welden. Was vom Fahrzeug nicht benötigt wird, wird entfernt und durch BOLDMEN-Karosserie, BOLDMEN-Exterieur und -Interieur ersetzt. Das Fahrzeug erhält eine neue Fahrzeug-Ident-Nummer und elektronisch einen Kraftbooster – der Motor erfährt auf diese Weise eine Leistungssteigerung von 340 auf 408 PS (300 KW). Ergebnis: ein Auto, das dank Achtgang-Automatik in 3,9 Sekunden vom Stand auf Tempo 100 ist.
Ein Basisfahrzeug – in diesem Fall den BMW Z4 M 40i – als Basisfahrzeug zu verwenden, nimmt nichts von der Exklusivität des Autos: „Als mein Bruder Martin und ich in den 1980er Jahren unseren ersten Wiesmann-Roadster entwickelten, konnte man noch verschiedene Technikkomponenten miteinander kombinieren. Inzwischen bilden Fahrzeuge aufgrund der elektronischen Vernetzung eine komplexe Einheit. Will man da etwas ändern, muss man eine neue Elektronik entwickeln. Und das kostet einen zweistelligen Millionenbetrag – eine Investition, die sich bei Fahrzeugen wie dem BOLDMEN CR4 und so geringen Stückzahlen nicht darstellen lässt“, so Friedhelm Wiesmann und fügt hinzu: „Dass heute für kleine Stückzahlen Basisfahrzeuge verwendet werden, ist ganz normal. Auch renommierte Hersteller wie Lamborghini (Basis Audi), Rolls Royce (Basis BMW 7er) und Porsche (Macan, Basis Audi Q 5) sowie Firmen wie Brabus (Mercedes), Ruf (Porsche) und Alpina (BMW) verwenden Basisfahrzeuge zum Bau ihrer exklusiven Luxusfahrzeuge“, so der 67-Jährige.
Dass Olaf Sewald wieder in seinem Team ist, freut Friedhelm Wiesmann: „Zehn Jahre war er ab 2004 bei der Wiesmann GmbH in Dülmen meine rechte Hand und kennt sich in der Materie bestens aus. Schön, dass wir jetzt wieder zusammenarbeiten“, so Friedhelm Wiesmann. Wie er hatte Olaf Sewald in Münster Betriebswirtschaften mit dem Schwerpunkt Marketing studiert.
Während Friedhelm Wiesmann von Bayern aus arbeitet, geht Olaf Sewald die Sache von Dülmen aus an – wie zu Zeiten bei der Automanufaktur Wiesmann ist er ohnehin viel unterwegs.
Immerhin gilt es, die passende Käuferschaft anzusprechen und zu gewinnen. Denn mit einem Basispreis von 185.000 Euro (brutto) ist der BOLDMEN CR 4 etwas für das eher begüterte Publikum. Wobei im Prospekt der BOLDMEN GmbH auch Finanzierungs- und Leasinglösungen aufgezeigt werden.
Die Zukunftsaussichten für den BOLDMEN CR 4 sehen folgendermaßen aus: „Wir planen, in diesem Jahr – 2022 – 50 bis 60 CR 4 zu bauen und zu vermarkten – und wir rechnen mit einer Typzulassung für die Schweiz etwa ab dem Frühjahr. Auf Dauer soll dann auch der Mittlere Osten erschlossen werden – wir können den CR4 auch als Rechtslenker fertigen“, so Friedhelm Wiesmann. Daneben ist der Vertrieb auch in noch weiter entfernte Regionen geplant – beispielsweise Fernost. „Eine Typzulassung in den USA jedoch ist angesichts der Anforderungen wie beispielsweise zahlreichen Crashtests kein Thema“, so Friedhelm Wiesmann. Außerdem in der Planung: ein Coupé – ein Zweitürer mit festem Dach.
„Für das Jahr 2023 haben wir 80 bis 100 Fahrzeuge bei Herstellung und Vertrieb als Ziel vor Augen“, so Friedhelm Wiesmann. „Aktuell stehen wir ja noch am Anfang und bauen die Fertigung weiter aus – auch mit zusätzlichen Spezialisten.“
So werden aktuell Lederarbeiten für das Interieur der Fahrzeuge noch nach außen vergeben – „das wollen wir auf Dauer bei uns im eigenen Haus leisten“, so Wiesmann.
Zum Thema
BOLDMEN – der frei gebildete Markenname – soll aufgrund der englischen Begriffe BOLD und MEN die Bedeutung „Starke/Kühne Männer“ abrufen. Und die Modellbezeichnung charakterisiert das Fahrzeug: C steht für Carbon(karosserie), R für Roadster und 4 für die mindestens 400 PS, die der Motor liefert.
PODCAST Wie kam es in Dülmen zum Bau der Wiesmann-Fahrzeuge und zur Gründung der Automanufaktur, wie funktionierte die Vermarktung und die Finanzierung, wie kam es zur Insolvenz der Automanufaktur? Friedhelm Wiesmann schildert dies launig in einem zweigeteilten, insgesamt zweieinhalbstündigen Interview mit Karsten Arndt, der im Internet unter der Adresse www.alte-schule-podcast.de eine Gesprächsserie mit prägenden Persönlichkeiten der „Goldenen Ära des Automobils“ präsentiert.