Dülmen. Wer den Bauernhof vor vier Jahren gesehen hat, wird ihn heute kaum noch wiedererkennen. „Das ganze Anwesen lag damals im Dornröschenschlaf“, sagt Felix Brocks-Sicking, der die Hofstelle Leuste 40 mit knapp zehn Hektar landwirtschaftlicher Fläche rund um die Gebäude 2019 gekauft hat. In den vergangenen dreieinhalb Jahren hat er die Gebäude zukunftsfähig gemacht. Das Besondere: Künstlerinnen und Künstler haben dort nach und nach ein Domizil gefunden – mit den verschiedensten Kunstgattungen. In der Hauptsache Malerei, aber auch Bildhauerei, Töpferei, Fotografie und Schmiedekunst. Und auch die Rock-Coverband „Burns“ nutzt Räume auf dem Hof.
„Ich kann mich noch gut an das Wochenende erinnern, als ich den Brief von der Bank bekam, in dem mir das Anwesen zum Kauf angeboten wurde“, berichtet Felix Brocks-Sicking. Bald drauf besichtigte er die Immobilie – auch mit Freunden. Keine Woche nach dem Brief stand die Kaufentscheidung.
Seitdem entwickelt sich das Anwesen. „Ich verwirkliche mir hier im Herbst meines Lebens meinen Traum eines Künstlerhofs“, so der 67-Jährige. „Für mich ist es eine Oase des Lebens – und so bezeichne ich den Hof auch.“
Dazu musste allerdings einiges passieren. So wurden die Dachstühle repariert und die Dachflächen grundsaniert. Eine Fotovoltaikanlage erzeugt regenerativen Strom. Aus den Gebäuden wurde all das entfernt, was einer Nutzung als Künstlerhof entgegensteht, und nicht nur das frühere Wohnhaus des Hofs, sondern auch unter anderem die Stallungen wurden baulich so hergerichtet, dass Künstler dort gut kreativ sein können. Die elektrischen Installationen wurden auf heutigen Stand gebracht, es wurde eine neue Heizungsanlage eingebaut, und für die sanitären Abwässer wurde ein neuer Sammelbehälter seitlich der Gebäude installiert. Bei Bedarf wird der Behälter von einem zertifizierten Entsorgungsunternehmen geleert.
In einer Scheune lagern aktuell zahlreiche frischgepresste Rundballen Heu und verströmen würzigen Duft. „Ich bin ja absoluter Vollblut-Bauer“, sagt Landwirtschaftsmeister Felix Brocks-Sicking, der mit seinem Sohn in Coesfeld-Flamschen den ererbten Vollerwerbs-Hof bewirtschaftet: Auf insgesamt rund 80 Hektar – teilweise Grünland – werden Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide angebaut. Vor einiger Zeit wurden die Milchkühe abgeschafft – geblieben ist die Fleischrinderhaltung. Und seit drei Jahren ist auch Dinkel im Getreideanbau mit dabei. „Der geht direkt an eine Mühle in Bonn“, so Brocks-Sicking.
Bekannt bei manch einem Pferdehalter
Sein Name ist manch einem Pferdehalter gut bekannt: „Seit 30 Jahren gewinnen wir auf Grünland Heu und Grassilage und beliefern exzellente Pferdebetriebe“, fasst Brocks-Sicking zusammen. Mehrere topmoderne Schlepper und eine Reihe großer Maschinen für die Grünfuttergewinnung mit bis zu 15 Meter Arbeitsbreite, eigene Ballenpressen und Ballenwickelmaschinen – der Hof Brocks-Sicking ist hochprofessionell aufgestellt. Auf diese Weise kann von rund 40 Hektar Grünland schlagkräftig Heu und – bei Regenwetter – Grassilage gewonnen werden. Auch bei den Flächen um den Künstlerhof in Leuste, der als Kunst- und Kulturwerkstätte baubehördlich genehmigt ist, handelt es sich um Dauergrünland, das bewirtschaftet wird. Auf der Seite des früheren Wohnhauses des Hofs wurde die Wiese mit 80 neu gepflanzten Apfelbäumen alter Sorten zur Streuobstwiese gemacht, die Früchte werden zu Saft, Gelee und Marmelade verarbeitet, und zusätzlich wurden 30 Kopfweiden rund ums Areal gesetzt.
„Das Vollblut-Bauer-Dasein ist das eine Leben von mir – das andere ist vor allem die Musik“, sagt Felix Brocks-Sicking. In Eigenregie hat er sich Gitarrenspiel beigebracht, und als Kind hatte er Klavierunterricht – und gern setzt er sich auch heute, wenn mal Zeit ist, zu Hause an den Flügel. Seit über zehn Jahren singt er auch im Crescendo-Chor in Coesfeld und seit zwei Jahren im MGV Sängerbund in Dülmen Tenor. Und Helmut Kathmann, der beide Chöre leitet, weiß, den Tenor einzusetzen. Wenn alle drei Kathmann-Chöre im Oktober in Coesfeld in der Jesuitenkirche am Marktplatz ein Konzert geben, wird Felix Brocks-Sicking voraussichtlich solistisch ein russisches Volkslied vortragen.
Schon früh hat Brocks-Sicking seiner Leidenschaft, dem Singen, gefrönt. Sei es als Mitwirkender auf der Freilichtbühne Flamschen etwa bei den Aufführungen des Musicals „My Fair Lady“, sei es bei Vergleichstests. „In den 1970er Jahren gab es in Coesfeld und in anderen Orten Sängerwettbewerbe. Bei manch einem habe ich mitgesungen und mit ,My Butterfly‘ von Danyel Gérard den ersten Platz belegt“, erinnert sich Felix Brocks-Sicking. Auch heute noch singt er das weltbekannte Stück, wie auf einer DÜLMENplus-Aufnahme online zu erleben ist (siehe www.duelmenplus.de).
Mit „My Butterfly“ Erfolg bei Gesangswettstreiten
Als „Flamschener Jung“ hat er eine besondere Beziehung zu Anna Katharina Emmerick. „Ihr Geburtshaus liegt etwa 1.000 Meter Luftlinie von meinem elterlichen Hof entfernt“, so Brocks-Sicking, der gelegentlich auch das Grab der Dülmener Seligen in der Heilig-Kreuz-Kirche besucht.
Auf seine Initiative hin schuf Bildhauer Bernward Erlenkötter, der im Künstlerhof in Leuste ein Arbeitsatelier hat, aus Sandstein ein Emmerick-Bild, das an der Hofeinfahrt zum Künstlerhof steht. „Zur Unterfütterung der Skulptur habe ich Mutterboden aus Flamschen verwendet. Das Emmerick-Bild steht also auf heimatlichem Boden“, so Felix Brocks-Sicking.
Er freut sich, dass sein Traum eines Künstlerhofs sich inzwischen schon so weit hat in die Realität umsetzen lassen. „Und die ein oder andere Veränderung schwebt mir auch noch vor Augen“, so Brocks-Sicking. Zu den jüngsten Veränderungen zählt das gestaltete Ensemble auf der Hoffläche mit einer Reihe Denkanstößen. Man kann sie gut auf sich wirken lassen, denn es gibt auch Sitzgelegenheiten dort.
Sitzgelegenheiten zu allen Himmelsrichtungen hin
Sowieso stehen auf dem Künstlerhof-Areal quasi zu allen Himmelsrichtigungen hin Stühle oder Bänke. Wer mit dem Rad, zu Fuß oder mit dem Auto vorbeikommt, kann sich einfach dort hinsetzen und das Ensemble und die Landschaft mit Blick auf die Ausläufer der Baumberge auf sich wirken lassen.
Auf diese Weise die Seele baumeln lassen – das hat beispielsweise auch Elke Wehling aus Coesfeld schätzen gelernt. Beruflich ist sie in Münster als Stimmtherapeutin tätig, gibt Gesangsunterricht und leitet in Münster einen Frauenchor. Auf dem Künstlerhof Leuste hat sie ein eigenes Atelier. „Ich bin sehr, sehr glücklich hier – das ist wie im Urlaub. Durch den Abstand vom Alltag und durch die Muße hier kann man auch sehr viel Kreativität entwickeln. Ich bin Herrn Brocks einfach nur dankbar, dass er mir und auch den anderen Künstlerinnen und Künstlern hier Räume zur Verfügung stellt.“