Dülmen. Nach 50 Metern stoppt Christian B. seinen Kontrollgang erstmals: Kopfschüttelnd blickt er auf den silbernen Sportwagen. Das Fahrzeug parkt am Bült vor dem einsA. Christian B. zeigt mit dem Finger auf das Schild direkt gegenüber: Feuerwehrzufahrt steht dort geschrieben. Darüber ist das bekannte blaurote Symbol für ein absolutes Halteverbot zu sehen. „Bei einem Brand müssen die großen Einsatzfahrzeuge hier durch. Da geht es um Sekunden“, sagt er und steckt einen weißen Zettel unter den Scheibenwischer: eine Verwarnung über 55 Euro. Es ist der erste, den er heute verteilt. Dann setzt der Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes den Kontrollgang fort. Sein nächstes Ziel: die Coesfelder Straße.

An der Borkener Straße parkt ein Fahrzeug einen halben Meter über die Markierung hinaus – schlecht für Radfahrende.
Auch hier muss Christian B. nicht lange suchen. Ein Combi steht ohne entsprechende Genehmigung auf einem Schwerbehindertenparkplatz. Das Hinweisschild prangt unübersehbar vor dem Fahrzeug. Wenige Sekunden später heftet ein „Knöllchen“ auf der Windschutzscheibe. 55 Euro werden auch hier fällig, so regelt es der bundesweite Bußgeldkatalog. Christian B. zieht sein Handy und fotografiert das Fahrzeug noch von allen Seiten. „Zur Dokumentation des Vergehens, falls der Inhaber oder die Inhaberin später Einspruch einlegen sollte. Wir erhalten zum Teil abenteuerliche Erklärungen“, sagt der Ordnungsamt-Mitarbeiter. Derartige Parkverstöße sind keine Seltenheit, sondern tägliche Kontrollroutine. 8.098 Parkverstöße hat die Stadt Dülmen in 2024 festgestellt, im laufenden Jahr sind es bereits 4.247.
Nummer 4.248 wartet nur wenige Meter weiter: ein Verstoß der „kreativen Sorte“. Der Kleinwagen steht vorbildlich geparkt auf der eingezeichneten Markierung. Auf dem Armaturenbrett liegt anstatt eines Parkscheins die handschriftliche Notiz „Easy Park“. Anhand des Kennzeichens checkt Christian B., ob tatsächlich über die Park-App ein digitales Ticket gebucht wurde. Die Überraschung folgt postwendend: Das Fahrzeug ist nicht bei Easy Park registriert. Anscheinend wusste der Fahrer oder die Fahrerin nicht, dass die Mitarbeitenden des Ordnungsamtes dies umgehend checken – übrigens unabhängig von der handschriftlichen Notiz. Liegt kein Parkschein im Auto wird stets kontrolliert, ob ein digitales Ticket vorliegt. Mittlerweile werden rund 28 Prozent der Parktickets digital gebucht, entweder über Easy Park oder einen der anderen zugelassenen Anbieter.
Der Tonfall wird rauer

Kaum zu übersehen: Das Hinweisschild für den Schwerbehindertenparkplatz.
Christian B. hat derweil den „Staffelstab“ an Michaela B. übergeben. Auch sie kontrolliert für das Ordnungsamt den ruhenden Verkehr. Ihre Schicht beginnt mit einer Diskussion am Westring: Ein Falschparker hat erheblichen Gesprächs- und Erklärungsbedarf. „Alles im grünen Bereich. Der Herr hat es letztlich eingesehen. Das ist leider nicht immer der Fall“, erklärt Michaela B.. Der Ton werde generell aggressiver, Beleidigungen und Drohungen würden zunehmen. Sie schildert einen kürzlich zurückliegenden Vorfall: Bei einer Kontrolle wird ein Hund im Fahrzeug vorgefunden. Das Fahrzeug steht in der Sonne, kein Fenster ist geöffnet. Das Tier ist gestresst und unruhig. Ordnungsamt-Mitarbeitende versuchen, den Halter telefonisch zu erreichen. Erfolglos. Als dieser dann zu seinem Wagen zurückkehrt, reagiert er aggressiv und beleidigt die Ordnungsamt-Mitarbeitenden mehrfach. „Leider kein Einzelfall. Oftmals sind es auch unbeteiligte Personen, die im Vorbeigehen oder Vorbeifahren unflätige Dinge von sich geben“, erzählt Michaela B.. Wie ihre Kolleginnen und Kollegen trägt sie seit einigen Jahren eine Schutzweste, wenn sie auf Kontrolle ist – eine direkte Folge der zunehmenden Aggressivität. „Man fühlt sich sicherer“, sagt sie und erblickt währenddessen am Westring ein neues Problem.
Gefährliche Situationen minimieren

Am Westring parkt ein Pkw auf den taktilen Elementen für sehbehinderte Menschen.
Ein Fahrzeug steht im Halteverbot, behindert andere Fahrzeuge und gefährdet die Fußgänger und Radfahrenden. Michaela B. zeigt zudem auf die breite weiße Markierung im Boden, die jetzt durch das Fahrzeug verdeckt wird. Diese taktilen Elemente gibt es in der gesamten Innenstadt. Sie ermöglichen Menschen mit Sehbehinderung die Orientierung. Daraus wird im Westring an diesem Morgen jedoch nichts: Jede Person, die diese taktilen Elemente nutzt, läuft zwangsläufig vor das parkende Auto. Der Fahrer oder die Fahrerin erhält deshalb nicht nur ein Bußgeld, sondern auch einen Punkt im Verkehrsregister in Flensburg – aufgrund der zusätzlichen Gefährdung. „Aus diesem Grund sind die Kontrollen auch wichtig und richtig. Uns wird oft Abzocke vorgeworfen. Es geht aber darum, gefährliche Situationen im Straßenverkehr durch Falschparker zu minimieren“, erklärt der Leiter des städtischen Ordnungsamtes, Jürgen Heilken.
Seine Mitarbeiterin Michaela B. ist derweil in der Borkener Straße angekommen: Ein Fahrzeug parkt einen halben Meter über die Markierung hinaus. Nur einen halben Meter mögen einige sagen. Allerdings blockiert das Fahrzeug dadurch den Radfahrstreifen. Radfahrende müssen zwangsläufig und abrupt auf die Fahrbahn ausweichen. Auch diese Gefährdung wird geahndet: Michaela B. bringt den Bußgeldbescheid an der Frontscheibe an. Das letzte „Knöllchen“ – zumindest bis zum nächsten Kontrollgang am kommenden Tag.