Rorup. „Kilometerfressen“ sieht anders aus: „Wir fahren so rund 300 Kilometer am Tag – 50 im Durchschnitt pro Stunde. Dann ist man‘s aber auch für den Tag leid“, schmunzelt Werner Schlüter, während er die Zündkerze aus dem Motor des Heinkel-Tourist-Rollers herausschraubt. Zusammen mit Michael Dormuth aus Senden, Klaus Lambers aus Saerbeck und Dr. Rainer-Maria Deppe aus Albersloh ist er bei sich in Rorup mitten im Roller-Technik-Check. Am 30. April machen sich die vier Heinkel-Tourist-Besitzer mit ihren Rollern auf den Weg in Richtung Berlin.
„Die Motoren und die ganze Technik sind unheimlich robust – was irgendwie kein Wunder ist. Ernst Heinkel, in dessen Firma in den 1950er und 1960er Jahren diese Roller gebaut wurden, kam ursprünglich aus der Luftfahrt und verlegte sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Bau von Motorrollern. Den Qualitäts- und Zuverlässigkeitsanspruch der Luftfahrt hat er in den Rollerbereich mit hinübergenommen“, erklärt Werner Schlüter, der seit Jahrzehnten Heinkel-Roller als Hobby hat. „Von daher konnte man grundsätzlich vom Bodensee bis Flensburg nonstop Vollgas fahren, ohne eine Überlastung des Rollers zu befürchten. Auch über die Alpen kam und kommt man mit den Heinkel-Rollern.“
Jetzt, 60 Jahre plus/minus nach Bau der Roller, ist natürlich weniger angesagt, die Technik voll auszureizen. „Die Roller kommen mit ihren rund zehn PS Leistung auf bis zu Tempo 90 – von daher kann man mit den Heinkel-Rollern auch auf Autobahnen fahren. Aber wir nutzen bei unserer anstehenden Fahrt nach Berlin Nebenstrecken und bleiben bei rund Tempo 70 bis 80“, so Werner Schlüter, der bei seinem Roller-Hobby von seiner beruflichen Qualifizierung als Auto-Elektriker profitiert.
Seit vielen Jahren ist er auch aktives Mitglied im Heinkel-Club Münster, der jeden zweiten Freitag im Monat ab 19 Uhr Stammtisch im Landhotel Sendes in Bösensell hat, und wie auch Rainer Deppe ist er Ansprechpartner für den Heinkel-Club Münster (www.hrc-muenster.de).
Schon viele Fahrten haben er und seine Heinkel-Freunde unternommen. So stand vergangenes Jahr ein Treffen in Sigmaringen auf dem Programm. Dabei kamen viele Besitzerinnen und Besitzer von Rollern aus der Zeit der 1950er Jahre zusammen. Und einmal ging‘s vor Jahren auch durch Ostfriesland und beim „XXL-Ostfriesen“ Tamme Hanken vorbei, der vielen als begnadeter Osteopath bekannt war.
Auch in Colorado/USA war Werner Schlüter mal bei einem Heinkel-Roller-Treffen und fuhr mit seinem Heinkel in den Rocky Mountains die 20 Kilometer lange Rennstrecke zum Pikes Peak hoch – als bislang wohl einziger deutscher Heinkel-Tourist-Fahrer. „Eine Stunde lang im ersten Gang Vollgas!“, kann sich Werner Schlüter noch gut erinnern.
Insgesamt wurden von den Heinkel-Tourist-Rollern zwischen 1953 und 1965 über 160.000 Exemplare gebaut, und 2015 waren noch über 7.000 davon in Deutschland zugelassen. „Man bekommt auch alle Ersatzteile noch neu zu kaufen – vor allem in den Niederlanden“, berichtet Rainer Deppe, der die Robustheit des Einzylinder-Viertaktmotors in Verbindung mit dem Vierganggetriebe schätzt – und natürlich die Sparsamkeit. So benötigt der Heinkel Tourist je nach Fahrweise rund drei Liter Superbenzin auf 100 Kilometer.
Ein Sonderfall unter den Heinkel Tourist-Rollern ist der Heinkel 150. „Der hatte mit 150 Kubikzentimetern etwas weniger Hubraum als die anderen Heinkel-Tourist-Roller – und vor allem hatte er einen Zweitaktmotor. Er wurde zwischen 1962 und 1964 rund 3.000 Mal gebaut und wird gemeinhin als ,Damenroller‘ bezeichnet“, so Werner Schlüter, der auch einen solchen seltenen, schlanken und wendigen Zweitakt-Heinkel-Roller besitzt und pflegt.
1 Kommentare
Etwas untergegangen ist in diesem Bericht, dass der Heinkel-Club Deutschland e.V. zu dem auch der Treffpunkt Münster gehört, seit über 40 Jahren die Ersatzteilversorgen der Heinkel Roller in Deutschland und in vielen Teilen der Welt (auch in Holland) sicherstellt.
Über 5000 Mitglieder sind beim Club angeschlossen und damit zählt der Club zu dem größten markengebundenen Oldtimer Clubs in Europa.