Merfeld. Die Familienhistorien in Dülmen so weit wie möglich zurückverfolgen, ihre Daten und Verflechtungen dokumentieren und zugänglich machen: Das Projekt „Genealogie Dülmen“ umfasst – aktuell – Daten von 334.000 Personen und 85.000 Familien, von 4.000 Dokument-Seiten aus dem Archiv von Croÿ, von 77.000 Seiten aus dem Dülmener Stadtarchiv und 45.000 Seiten aus anderen Quellen wie beispielsweise Kirchenbücher. Josef Schnieder, Koordinator des Projekts „Genealogie Dülmen“, bei dem er seit 15 Jahren engagiert ist, berichtete beim diesjährigen Traditionsabend des Heimatvereins Merfeld über das Projekt und beeindruckte unter anderem mit diesen Zahlen.
„Über reiche Familien und Adelshäuser gibt es ja seit langem Geschichtsschreibung. Ich möchte die Geschichte von Familien schreiben, die sonst nicht im Blickfeld stehen.“ Mit diesen Worten begann Josef Schnieder seinen Vortrag, für den der Wahl-Nottulner in sein Elternhaus gekommen war: auf den Ferienhof Schnieder, auf dem seit Jahren Veranstaltungen des Heimatvereins Merfeld durchgeführt werden.
Bereits die Mutter ermunterte zur Familienforschung
Seine Mutter habe ihm stets vor Augen geführt, wie wichtig Familie ist. Ermuntert von seiner Mutter, sei er in Archive gegangen, habe dort gestöbert, Familienunterlagen durchgearbeitet, Briefe gelesen und manches mehr.
Seit er vor vier Jahren sein IT-Unternehmen in Gelsenkirchen in andere Hände gegeben hat, hat er Zeit, sich mit noch größerer Energie in das Projekt „Genealogie Dülmen“ zu knien. „40 bis 60 Stunden bin ich dafür in der Woche im Einsatz“, so Josef Schnieder, der als IT-ler auch ein eigenes Programm geschrieben hat, mit dem sich Familienforschung gut umsetzen lässt. GES heißt das Programm, das Josef Schnieder mittlerweile verkauft hat und mit dem inzwischen 3.000 Genealogen in Deutschland arbeiten, wie er berichtete.
Zwölf Forscher am Projekt engagiert
Beim Projekt „Genealogie Dülmen“ sind gegenwärtig zwölf Forscher engagiert, koordiniert von Josef Schnieder. Aktuell sind 14 Pfarreien beziehungsweise Orte in Arbeit: Dülmen, Buldern, Rorup, Hiddingsel, Lette, Darup, Seppenrade, Olfen, Emsdetten, Hembergen, Saerbeck, Hopsten, Havixbeck und Nottuln – und weitere Pfarreien beziehungsweise Orte sind geplant.
Mitwick-Buch wird in den kommenden Monaten fertig
Fertiggestellt und gedruckt sind inzwischen die Ortsfamilienbücher von fünf Dülmener Bauerschaften: Börnste, Daldrup, Empte, Leuste und Merfeld. Mitwick wird wohl in den kommenden Monaten fertiggestellt sein, und das Ortsfamilienbuch Rorup liegt ebenfalls im – vorläufigen – Druck vor – allesamt jeweils mehrere hundert Seiten umfassend. Die Arbeiten für die übrigen der geplanten 14 Bände Ortsfamilienbücher Dülmen laufen – wann das Projekt abgeschlossen sein wird, ist noch nicht absehbar.
Ebenfalls bereits erschienen ist ein Buch, in dem Josef Schnieder das Themenfeld „Geburt, Ehe und Tod“ im kirchlichen Umfeld im 19. Jahrhundert speziell für die Genealogen und Familienforscher beleuchtet hat. Er teilt damit die zahlreichen Erfahrungen, die er im Laufe der Jahre in der Genealogie-Forschung gesammelt hat.
Genealogie oft eine regelrechte Detektivarbeit
„Das ist oft genug eine richtige Detektivarbeit, ein Geduldsspiel“, so Josef Schnieder, der seine Zuhörer in Merfeld mitnahm und schilderte, mit welchen Sachverhalten Genealogen konfrontiert sind.
So beispielsweise, dass früher die Schreibung der Familiennamen ziemlich beliebig war. „Olfs wurde schnell zu Alfs und umgedreht. Die Pastöre, die die Kirchenbücher führten, schrieben oft einfach nach Gehör.“ Auch, als im Zuge der napoleonischen Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts die weltliche Personenstandserfassung üblich wurde, gab es für ein und denselben Namen derselben Familie oft verschiedene Schreibweisen, selbst bei Eheleuten.
Der Hofname geht auf den eingeheirateten Bauern über
Oder, andere Schwierigkeit: Aus einem anderen Ort kommt ein junger Mann auf einen Bauernhof und heiratet sich dort ein. Ohne entsprechende Kennzeichnung passiert es da auch schon mal, dass der junge Mann nur noch mit dem Hofnamen in den Dokumenten vermerkt ist. „So etwas hatten wir auch hier auf meinem elterlichen Hof: Ein Henrich Espeter aus Reken heiratete sich 1750 auf den Hof ein und hieß sofort Schnieder. Sein Geburtsname Espeter fiel weg.“
Daher gelte es, möglichst viele Indizien, Eigenschaften und Verbindungen eines Menschen festzuhalten, um ihn genau zuordnen zu können: Wer sind die Taufpaten, wie lauten die verschiedenen Vornamen – um nur zwei Aspekte zu nennen. „Man muss dies alles berücksichtigen – nur so kommt man weiter bei der Zuordnung“, weiß Josef Schnieder.
Mormonen-Projekt „Family Search“ hat Fehlstellen
Das Projekt „FamilySearch“ der Mormonen, bei dem nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland in großem Stil Kirchenbücher erfasst wurden, habe in dieser Hinsicht Fehlstellen: „Bei der Erfassung der Taufregister wurden die Taufpaten nicht miterfasst, und ebenso wurden jeweils nur zwei Vornamen notiert. Was, wenn die Person später seinen vierten Vornamen als Rufnamen nutzt und damit auch in den Büchern genannt wird?“
Bei Familienforschung nicht aufs Internet verlassen
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund warnte Josef Schnieder ausdrücklich davor, sich auf genealogische Daten aus dem Internet zu verlassen. Es gelte immer, direkt in den Kirchenbüchern und anderen Quellen zu schauen. „Wie viele Ahnentafeln von Familien in Dülmen habe ich schon auseinandergepflückt!“, meinte der 62-Jährige, der mehrere Male die Woche genealogische Anfragen zu Familien in Dülmen bekommt.
Aufhorchen ließ bei seinem Vortrag eine kleine Statistik zum Thema „Dispensierungen“ – bischöfliche oder gar – bei Heiraten von vergleichsweise nahen Verwandten – päpstliche Entbindungen von kirchenrechtlichen Vorschriften beziehungsweise Verboten, was das Heiraten unter Verwandten betrifft. So habe es zwischen 1730 und 1870 für den Bereich Dernekamp 30 Dispense wegen Heirat von Verwandten gegeben – für den Bereich Merfeld sogar 54 Dispense.
• Im Internet ist das Projekt unter www.duelmen-genealogie.de zu finden; dort können auch die Ortsfamilienbücher bestellt werden. Und es ist dort der Band „Geschichtliche Mitteilungen über den Edelsitz und die Herrlichkeit Merfeld (1923)“ der Reihe „Dülmen und seine Siedelstätten“ von Ludwig Bielefeld nachzulesen.